Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. erforderliche Kosten. Bestattungsverpflichteter. Zumutbarkeit der Kostentragung. Bezug von SGB 2-Leistungen. Einsatz eines bestimmten Barbetrags. Lebensversicherungsvertrag. Vertrag zugunsten Dritter

 

Orientierungssatz

1. Erforderliche Kosten einer Bestattung iS von § 74 SGB 12 sind die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, nicht die Aufwendungen für eine standesgemäße Beerdigung. Angemessenen Wünschen des Verstorbenen bzw Bestattungsverpflichteten nach einer bestimmten Bestattungsart ist regelmäßig und insbesondere dann zu entsprechen, wenn sie den religiösen Bindungen des Verstorbenen entsprechen. Ein Sozialhilfeträger darf nicht generell auf eine etwa kostengünstigere Feuerbestattung oder gar eine anonyme Bestattung verweisen. Der Eindruck eines Armenbegräbnisses bzw Armengrabes ist zu vermeiden. Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nach der jeweiligen maßgeblichen Friedhofssatzung.

2. Der Umstand, dass Erben das Erbe ausgeschlagen haben, steht der Bestattungspflicht gem § 74 SGB 12 iVm § 8 Abs 1 BestattG NW nicht entgegen.

3. Die Zumutbarkeit der Kostentragung der Bestattung iS des § 74 SGB 12 ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar und nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles ausfüllungsbedürftig ist. Stets zumutbar ist der Einsatz des vorhandenen Nachlasses sowie von Leistungen, die aus Anlass des Todes des Verstorbenen erbracht wurden. Sind die Kosten nicht durch den Nachlass gedeckt, so kann die Zumutbarkeit in Anlehnung an die sozialhilferechtlichen Grundsätze über den Einsatz von Einkommen beurteilt werden. Für Verpflichtete, die laufende Leistungen nach dem SGB 2 beziehen, ist eine Zumutbarkeit grundsätzlich zu verneinen. Haben die Kinder des Verstorbenen dessen Ehefrau einen bestimmten Barbetrag in der irrigen Annahme übergeben, sie müssen für die Bestattungskosten aufkommen, so hat die Ehefrau trotz des Bezugs von Grundsicherung diesen Betrag einzusetzen.

4. Ein Lebensversicherungsbetrag kann nach § 330 BGB nicht für die Bestattungskosten eingesetzt werden, wenn in einem Lebensversicherungsvertrag die Zahlung der Versicherungssumme an einen Dritten bedungen ist. Im Zweifel ist anzunehmen, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwerben soll, die Leistung zu fordern. Ein solcher Vertrag ist als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet. Der Anspruch auf die Versicherungssumme entsteht in einem solchen Fall ohne Durchgang durch das Vermögen des Versicherungsnehmers unmittelbar in der Person bzw der Bezugsberechtigten, fällt also bei einer Versicherung auf den Todesfall nicht in den Nachlass.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Bestattungskosten in Höhe von 1.942,64 EUR.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin bezieht vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung (GSi) bei Erwerbsminderung. Am 29.04.2006 verstarb ihr Ehemann. Dieser hatte aus einer früheren Ehe drei Kinder: N.E., O.L. und E.T. Die Töchter N. und O. beziehen jeweils Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Sohn E. ist erwerbstätig und hat ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.200,00 bis 1.300,00 EUR; er zahlte im Jahre 2006 seinem Sohn monatlich 122,00 EUR und seiner geschiedenen Ehefrau weitere 118,00 EUR Unterhalt. Im Jahre 2006 zahlte er für seine damalige Wohnung Mietkosten in Höhe von 396,19 EUR, für Gas einen monatlichen Abschlag von 90,00 EUR.

Am 04.05.2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Kosten der Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes. Sie legte eine Kostenaufstellung des Bestattungshauses I. über 1.855,62 EUR vor. Mit Schreiben vom 18.05.2006 wies der Beklagte auf die Bestattungspflicht der Kinder hin und forderte die Klägerin auf, deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Am 20.05.2006 wurde der PKW des Verstorbenen abgemeldet; die Klägerin erzielte hierfür einen Erlös von 50,00 EUR.

Da die Klägerin keine weiteren Angaben machte, lehnte der Beklagte den Kostenübernahmeantrag durch Bescheid vom 22.03.2007 wegen fehlender Mitwirkung ab.

Dagegen legte die Klägerin am 23.04.2007 Widerspruch ein. Sie teilte die Anschriften der Kinder des Verstorbenen mit. In der Folgezeit ermittelte der Beklagte, dass der Verstorbene eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, die zum 01.08.2006 fällig geworden wäre; für den Todesfall waren die erste Ehefrau und die drei Kinder des Verstorbenen bezugsberechtigt; der Auszahlungsbetrag betrug 508,70 EUR. Auf Anfrage des Beklagten erklärte der Sohn E.T. am 14.06./27.12.2007 u.a., seine Schwester N. und er hätten der Klägerin 1.200,00 EUR zur Deckung der Kosten der Bestattung ihres Vaters ausgehändigt. Die Schwester N. bestätigte diese Angaben in einer Erklärung vom 25.06.2007; ergänzend teilte sie mit, ihren Anteil von 600,00 EUR trage sie in monatlichen R...

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