Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Berücksichtigung von Vermögen bei der Bedarfsermittlung. darlehensweise Leistungsgewährung. Verwertbarkeit von Vermögen in Form eines Grundbesitzes

 

Orientierungssatz

1. Auch ein hälftiger Miteigentumsanteil an einem Grundstück stellt im Rahmen der Prüfung eines Sozialhilfebedarfs grundsätzlich verwertbares Vermögen dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Veräußerung des Miteigentumsanteils möglich ist, da ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück auch durch eine Belastung verwertet werden kann.

2. Auch wenn zu Lasten eines Grundstücks Grundschulden bestellt sind, deren Wert den Verkehrswert des Grundstücks übersteigt, so ist jedenfalls dann im Rahmen der Bedarfsermittlung für Grundsicherungsleistungen wegen Erwerbsminderung und im Alter nach SGB 12 von der Wirtschaftlichkeit einer Verwertung durch weitere Belastung des Grundeigentums auszugehen, wenn der Wert des den Grundschulden zugrunde liegenden Darlehens geringer als der Verkehrswert des Grundstücks ist und damit eine zusätzliche Besicherung eines Darlehens möglich wird.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Weitergehende Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch darauf hat, dass ihr die für die Zeit vom 06.10. bis 31.12.2011 zustehende Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) in Höhe von 2.121,57 EUR als Zuschuss statt - wie bewilligt - als Darlehen gegen dingliche Sicherung zu gewähren ist.

Die 0000 geborene Klägerin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit Februar 2009 lebt sie von ihrem Ehemann getrennt. Dieser ist ihr gegenüber unterhaltspflichtig und hatte gem. Beschluss des Familiengerichts monatlich 770,00 EUR zu zahlen. Der Ehemann wurde jedoch erwerbsunfähig und bezog seit 01.06.2011 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung; seitdem zahlte er keinen Unterhalt mehr. Die Klägerin und ihr Ehemann sind je zur Hälfte Miteigentümer eines Hauses, in dem der Ehemann mit den Kindern wohnt.

Am 06.10.2011 beantragte die Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Da sich aus einem psychiatrischen Gutachten ergab, dass die Klägerin seit längerem arbeitsunfähig war, dies auch weiter bleiben würde und von einer dauerhaften Erwerbsminderung ausgegangen wurde, leitete das JobCenter den Antrag zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter. Im Rahmen der Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin Zahlungen ihrer Stiefeltern - der Eheleute G. - erhalten hatte und erhielt. Dies waren in den Monaten September, Oktober, November und Dezember 2011 jeweils 770,00 EUR; die Überweisungen erfolgten mit dem Verwendungszweck "Vorlage Unterhalt". Weitere Überweisungen der Stiefeltern in den Monaten September bis Dezember 2011 von jeweils 100,00 EUR hatten den Verwendungszweck "Unterstützung". Die Klägerin hatte von ihren Stiefeltern bereits im Juli 2009 - nach der Trennung vom Ehemann - 10.450,00 EUR unter Abgabe eines Schuldanerkenntnisses als Darlehen zur Einrichtung ihrer Wohnung erhalten und weitere Zahlungen, wenn der Unterhalt des Ehemannes ausblieb. Wenn Unterhaltsnachzahlungen, z. B. aufgrund von Pfändungen, bei der Klägerin eingingen, zahlte diese Geld an die Stiefeltern zurück.

Durch Bescheid vom 23.11.2011 lehnte die Beklagte den Sozialhilfeantrag ab mit der Begründung, aufgrund der erhaltenen Unterhaltszahlungen sei sie in der Lage, ab dem Datum der Antragstellung ihren Lebensunterhalt sicherzustellen.

Dagegen erhob die Klägerin am 29.11.2011 Widerspruch und trug vor, bei den bedarfsmindernd herangezogenen Zahlungen handele es sich um freiwillige Zahlungen Dritter, die für die Verwertung der Hilfsbedürftigkeit ohne Belang seien; sie dienten allein dazu, die Zeit bis zur Bewilligung der Sozialhilfe zu überbrücken.

Am 07.12.2011 sprach der Stiefvater der Klägerin bei der Beklagten vor und erklärte, er habe die Klägerin mit monatlich 770,00 EUR nur darlehensweise unterstützt; die letzte Zahlung sei für Dezember 2011 erfolgt.

Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 20.12.2011 Sozialhilfe ab 01.01.2012 als Zuschuss. Ab 01.05.2012 war die Klägerin wieder erwerbstätig mit einem Netto-Einkommen in Höhe von knapp 1.700,00 EUR. Im Hinblick darauf wurde die Sozialhilfe durch Bescheid vom 24.09.2012 eingestellt.

In Bezug auf den Leistungszeitraum von 06.10. bis 31.12.2011 wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.08.2012 zurück. Sie meinte, für eine darlehensweise Gewährung der Zahlungen der Stiefeltern gebe es keinen Beleg; unter Berücksichtigung dieser Zahlungen von 770,00 EUR und 100,00 EUR pro Monat sei Hilfebedürftigkeit nicht gegeben.

Dagegen hat die Klägerin am 28.09.2012 Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, bedarfsdeckendes Einkommen treffe nur für die monatlichen Zahlungen von 100,00 EUR zu, die ...

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