1 Leitsatz

Die Weitersendung von Sendesignalen in die einzelnen Wohn- und Teileigentumseinheiten ist urheberrechtsfrei.

2 Normenkette

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, § 20, § 20b Satz 1, § 15 Abs. 3 UrhG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K der Wohnungseigentumsanlage X (bestehend aus 164 Wohnungseigentums- und 11 Teileigentumsrechten) und eine Verwertungsgesellschaft B schließen Ende 2013 einen Lizenzvertrag mit Wirkung per 1.1.2003. K zahlt für die Jahre 2003 bis 2009 insgesamt 808,92 EUR, für die Jahre 2010 bis 2013 weitere 1.078,56 EUR sowie für die Jahre 2014 und 2015 jeweils 224,70 EUR, mithin bisher 2.336,88 EUR. Im November 2015 kündigt K unter Bezugnahme auf die "Ramses"-Entscheidung des BGH (BGH, Urteil v. 17.9.2015, I ZR 228/14, NZM 2016 S. 127) den Lizenzvertrag und verlangt die Rückzahlung der bereits erhaltenen Entgelte. Da sich B weigert, erhebt K Klage. K verlangt u. a. die Feststellung, dass zwischen ihr und B kein urheberrechtlicher Lizenzvertrag mehr besteht und sie nicht verpflichtet ist, für die Weiterleitung von Fernseh- und Radioprogrammen an die einzelnen Wohnungseigentümer über das gemeinschaftliche Kabelnetz eine urheberrechtliche Vergütung zu zahlen.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Weitersendung von Sendesignalen durch K in die einzelnen Wohnungen ist nach Ansicht des LG urheberrechtsfrei. Die Weiterleitung von Sendungen an sich selbst sei eine privat-persönliche Angelegenheit. Das Sendesignal trete erst dann aus dem privaten Sondereigentumsbereich, wenn ein Wohnungseigentümer in eigenautonomer persönlicher Disposition den Zugang zu den über die in seinem ausschließlichen Herrschaftsbereich belegene Anschlussdose zugänglichen Sendesignalen an eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und recht viele Personen weiter übertrage. Dies wäre etwa bei gewerbsmäßiger Zimmer- oder Wohnungsvermietung oder einer im Umfang eines Mietwohnhauses vergleichbaren vermieteten Eigentumswohnungsbestands in einer Hand (Etagenvermietung) oder (Teil-)Nutzung als öffentlich zugängliche Geschäftsräume (Wohnungsbüro) der Fall durch Anschluss von Empfangsgeräten (= Weitersendung von Anschlussdose) vorstellbar. Entsprechendes müsse für Teileigentum gelten.

Hinweis

Im Fall geht es um die Frage, ob es sich bei der Weiterleitung von Sendesignalen, die über eine Gemeinschaftsantenne empfangen und in die Wohnungen weitergeleitet werden, um eine lizenzpflichtige Kabelweitersendung handelt. Dies ist zu bejahen, wenn die Kabelweitersendung "öffentlich" ist. So liegt es, wenn die Wiedergabe für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. In der Ramses-Entscheidung verneinte der BGH diese Frage, da im dortigen Fall kein neues Publikum erreicht wurde. Im Fall dürfte es auch so sein. Anders könnte es in einer Anlage liegen, in dem es zu einem ständigen Mieterwechsel kommt (vgl. OLG Braunschweig, Urteil v. 17.4.2019, 2 U 56/18).

Ausblick auf die WEG-Reform

Die WEG-Reform hat an der Frage, was für die Weiterleitung von Signalen gilt, nichts geändert. Die Hausantenne steht auch weiterhin im Eigentum der Wohnungseigentümer und nicht im Eigentum der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

5 Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 21.8.2018, 15 O 355/17

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