Zusammenfassung

 
Begriff

Das selbstständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) bietet die Möglichkeit, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ein kostenintensives und zeitraubendes Klageverfahren zu vermeiden.

Mit diesem Verfahren kann die Verjährung von kauf- und werkvertraglichen sowie von mietvertraglichen – Ansprüchen gehemmt werden.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen finden sich in den §§ 485 ff. ZPO.

OLG München, Beschluss v. 12.12.2019, 20 W 1503/19: Ein Gericht kann einer am selbstständigen Beweisverfahren nicht beteiligten Wohnungseigentümergemeinschaft nicht aufgeben, eine Bauteilöffnung in der Tiefgarage zu dulden.

LG Dortmund, Beschluss v. 29.11.2019, 17 T 76/19: Der Nießbraucher eines Wohnungseigentums kann ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen die Wohnungseigentümer haben.

LG Frankfurt a.  M., Beschluss v. 18.4.2019, 2-13 S 55/18: Wird unter den Wohnungseigentümern über einen längeren Zeitraum diskutiert, ob der Bauträger gerichtlich in Anspruch genommen wird, darf der Verwalter nicht kurz vor Ablauf der Verjährung eigenmächtig ein selbstständiges Beweisverfahren als "Notmaßnahme" einleiten.

AG Kassel, Urteil v. 4.5.2017, 800 C 3846/16: Jeder Eigentümer kann eine ordnungsgemäße Verwaltung verlangen. Diese muss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Dies ist grundsätzlich dann nicht der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger an sich gezogen hat und sodann ein Beweissicherungsverfahren mit verjährungshemmender Wirkung nur unzureichend durchführt.

1 Grundsätze

Das selbstständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. ZPO ermöglicht es den Parteien, außerhalb des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens Tatsachen gerichtlich verwertbar feststellen zu lassen.[1] Da ein geordneter Prozessvortrag gemäß § 138 Abs. 1 ZPO grundsätzlich entsprechende Tatsachenkenntnis voraussetzt, und die Eigentümergemeinschaft oder aber auch der einzelne Wohnungseigentümer nach Abnahme der Bauleistung das Vorliegen eines Mangels zu beweisen hat, hat das selbstständige Beweisverfahren insbesondere bei Baumängeln erhebliche Bedeutung. Wobei anzumerken ist, dass es aufgrund der Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)[2] für die schlüssige Darlegung eines Baumangels ausreicht, dessen äußeres Erscheinungsbild zu beschreiben.

In der Praxis bedeutsamste Variante des selbstständigen Beweisverfahrens ist diejenige des § 485 Abs. 2 ZPO. Hier können die für erforderlich erachteten tatsächlichen Feststellungen bei noch nicht anhängigem Hauptsacheprozess in einem isolierten Feststellungsverfahren getroffen werden. Daneben ist die Beweissicherung gemäß § 485 Abs. 1 ZPO vor und während des Hauptsacheprozesses dann zulässig, wenn

  • der Gegner zustimmt (Alt. 1) oder
  • Beweismittelverlust droht (Alt. 2).
 
Wichtig

Privatgutachten

Privatgutachten außerhalb eines selbstständigen Beweisverfahrens haben nicht die Beweiskraft wie ein entsprechendes im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eingeholtes gerichtliches Sachverständigengutachten. Privatgutachten haben grundsätzlich auch keine verjährungshemmende Wirkung. Ein Privatgutachten unterliegt jedoch als urkundlich belegtes Parteivorbringen der freien Beweiswürdigung des Gerichts nach Maßgabe des § 286 ZPO.

2 Zulässigkeit

Zunächst gelten die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen auch für das selbstständige Beweisverfahren. Der sich auf das Beweissicherungsverfahren beziehende materiell-rechtliche Anspruch darf demnach nicht bereits anderweitig entschieden, die Beweisfragen noch nicht anderweitig beantwortet sein. Nicht erforderlich ist hingegen, dass eine auf das selbstständige Beweisverfahren zu stützende Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat.[1] Auch eine Schiedsgerichtsvereinbarung hindert die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nicht.[2] Entsprechendes gilt für eine Schlichtungsklausel im Bauvertrag.[3] Umstritten ist dies jedoch bei einer Schiedsgutachterabrede.[4]

3 Zuständigkeit

3.1 Örtliche Zuständigkeit

Ist über den Beweisgegenstand bereits ein Rechtsstreit anhängig, ist das Gericht der Hauptsache gemäß § 468 Abs. 1 ZPO auch für das selbstständige Beweisverfahren zuständig. Sollte – wie im Regelfall – noch kein Rechtsstreit anhängig sein, ist gemäß § 468 Abs. 2 Satz 1 ZPO das zur Entscheidung in der Hauptsache berufene Gericht örtlich zuständig.

3.2 Sachliche Zuständigkeit

Für die sachliche Zu...

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