Rz. 44

Ausländische Entscheidungen, Maßnahmen und Urkunden werden in der Schweiz grundsätzlich dann anerkannt, wenn sie im Staat des letzten Wohnsitzes des Erblassers oder im Staat, dessen Recht er gewählt hat, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie in einem dieser Staaten anerkannt werden. In Bezug auf Grundstücke werden ausländische Entscheidungen, Maßnahmen und Urkunden in der Schweiz zudem auch anerkannt, wenn sie in dem Staat, in welchem das Grundstück liegt, getroffen, ausgestellt oder festgestellt worden sind oder wenn sie dort anerkannt werden (vgl. Art. 96 IPRG). Ferner müssen in jedem Fall die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen der Art. 25–27 IPRG erfüllt sein.

Die Regelungen über die indirekte Zuständigkeit gemäß Art. 96 IPRG bilden ebenfalls einen Gegenstand der laufenden Gesetzesrevision. Geplant ist eine Erweiterung der anerkennungsfähigen Entscheide, namentlich mit Blick auf ausländische Entscheidungen, die gestützt auf die EuErbVO ergangen sind.[67]

 

Rz. 45

Soll das in der Schweiz belegene Vermögen eines im Ausland domizilierten Erblassers auf die Erben übertragen werden, stellt sich regelmäßig die Frage, welche Belege beizubringen sind und ob ein im Wohnsitzstaat ausgestellter Erbschein in der Schweiz anerkannt wird. Ausländische Erbfolgezeugnisse bzw. Erbenbescheinigungen werden in der Schweiz dann anerkannt, wenn die soeben dargelegten Voraussetzungen von Art. 96 IPRG sowie die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen von Art. 25–27 IPRG erfüllt sind. Zusätzlich muss die ausländische Urkunde einem schweizerischen Erbenschein i.S.v. Art. 559 ZGB im Wesentlichen gleichwertig sein (Äquivalenz). Ob es sich dabei um eine nationale Urkunde (z.B. einen deutschen Erbschein) oder eine internationale Urkunde (z.B. ein Europäisches Nachlasszeugnis) handelt, spielt keine Rolle.

 

Rz. 46

Ein deutscher Erbschein wird in der Schweiz unter den oben erwähnten Voraussetzungen als Ausweis grundsätzlich anerkannt, sofern er gegenständlich nicht auf in Deutschland belegene Nachlassobjekte beschränkt ist.[68]

 

Rz. 47

Von den Schweizer Banken werden die ausländischen Erbscheine i.d.R. ohne formelles Exequaturverfahren akzeptiert. Gleiches gilt in Bezug auf die Übertragung von in der Schweiz gelegenen Grundstücken. Diesbezüglich hat das Bundesamt für Justiz Regeln ausgearbeitet, welche für jedes Land konkret festhalten, welche Ausweise als mit der Schweizer Erbenbescheinigung gleichwertig gelten und folglich ausreichend sind, um die Übertragung des Grundstücks in der Schweiz zu veranlassen.[69]

 

Rz. 48

Fehlt es an einer ausländischen Urkunde, die in der Schweiz anerkannt werden kann, so ist grundsätzlich ein schweizerisches Eröffnungsverfahren einzuleiten. Bei einem Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland ergibt sich die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Behörden dabei

aus Art. 87 Abs. 1 IPRG (Behörden am schweizerischen Heimatort), wenn es um einen Schweizer Bürger mit letztem Wohnsitz im Ausland geht, bzw.
aus Art. 88 IPRG (Behörden am Ort der gelegenen Sache), wenn es sich um einen Ausländer mit letztem Wohnsitz im Ausland handelt und sich die ausländischen Behörden mit dem in der Schweiz belegenen Nachlassvermögen nicht befassen.
Besteht weder nach Art. 87 noch nach Art. 88 IPRG eine Zuständigkeit in der Schweiz, so kann sich ausnahmsweise eine Notzuständigkeit gestützt auf Art. 3 IPRG ergeben, wenn ein Verfahren im Ausland nicht möglich oder zumutbar ist. Zuständig sind diesfalls die Gerichte oder Behörden am Ort, mit dem der Sachverhalt einen genügenden Zusammenhang aufweist; das dürfte regelmäßig der Ort der gelegenen Sache sein.[70]
[67] Vgl. Bonomi, S. 181.
[68] Siehe näher zum deutschen Erbschein Tersteegen/Reich, Länderbericht Deutschland Rdn 141 ff.
[69] Vgl. Bundesamt für Justiz, Ausländische Erbfolgezeugnisse als Ausweis für Eintragungen im schweizerischen Grundbuch, Bern 2001, S. 3 f., mit Berichten für die einzelnen Länder (zit. Bundesamt für Justiz). Das Dokument ist abrufbar auf der Homepage des Bundesamtes für Justiz (www.bj.admin.ch) unter der Rubrik Themen, Wirtschaft, Internationales Privatrecht, Dokumente.
[70] Bundesamt für Justiz, a.a.O., S. 12.

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