Rz. 108

Nach der Trennung von Mannes- und Frauengut sind Vermögen und Schulden jedes Ehegatten in Anwendung von Art. 197 ff. und Art. 209 Abs. 2 ZGB entweder seinem Eigengut oder seiner Errungenschaft zuzuweisen.[182] Gestützt auf Art. 207 Abs. 1 i.V.m. Art. 204 Abs. 2 ZGB ist für die Zuordnung der einzelnen Vermögensbestandteile der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsbegehrens bzw. der Scheidungsklage maßgebend. Rechtshängigkeit tritt mit Einreichung des gemeinsamen Scheidungsbegehrens oder der Scheidungsklage ein (Art. 274 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 ZPO; vgl. hierzu Rdn 94). Zur Bestimmung des anzurechnenden Werts äußern sich die Art. 211 ff. ZGB. Danach ist grundsätzlich auf den Verkehrswert im Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung abzustellen. Ist auch die andere Gütermasse des Eigentümerehegatten am Erwerb, an der Verbesserung oder der Erhaltung eines Vermögensgegenstandes beteiligt, steht ihr eine Ersatzforderung zu. Dasselbe gilt für den Fall, dass Schulden einer Masse mit Mitteln der anderen bezahlt worden sind (Art. 209 ZGB).[183] Hat ein Ehegatte während der letzten fünf Jahre vor Auflösung des Güterstandes ohne Zustimmung des anderen das Ausmaß üblicher Gelegenheitsgeschenke übersteigende, unentgeltliche Zuwendungen aus der Errungenschaft ausgerichtet oder Vermögensentäußerungen vorgenommen, um den Beteiligungsanspruch des anderen zu schmälern, erfolgt eine wertmäßige Hinzurechnung zur Errungenschaft (Art. 208 ZGB). Die Hinzurechnung führt nicht zur Aufhebung des Verfügungsgeschäfts und wirkt grundsätzlich ausschließlich zwischen den Ehegatten. Nur wenn das Vermögen des veräußernden Ehegatten nicht ausreicht, um die unter Berücksichtigung der Hinzurechnung entstandene – und damit entsprechend höhere – Beteiligungsforderung des anderen Ehegatten zu begleichen, kann dieser den Fehlbetrag beim Zuwendungsempfänger mittels Herabsetzungsklage einfordern (Art. 220 ZGB).

 

Rz. 109

Von Gesetzes wegen[184] steht jedem Ehegatten bzw. im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod seinen Erben ein Anspruch auf die Hälfte des Vorschlags des anderen zu (Art. 215 ZGB). Der Vorschlag eines Ehegatten wird definiert als der Gesamtwert seiner Errungenschaft einschließlich der Ersatzforderungen (Art. 209 ZGB) und der hinzugerechneten Vermögenswerte (Art. 208 ZGB) unter Abzug der darauf lastenden Schulden (vgl. Art. 210 Abs. 1 ZGB). Weist die Errungenschaft eines Ehegatten einen Negativsaldo (sog. Rückschlag) aus, so entfällt daran die Beteiligung seines Partners (Art. 210 Abs. 2 ZGB). Jeder Ehegatte muss m.a.W. maximal die Hälfte seines eigenen Vorschlags abgeben; ein darüber hinausgehender Schuldenausgleich findet nicht statt. Gemäß Art. 215 Abs. 2 ZGB werden die gegenseitigen Vorschlagsforderungen der Ehegatten miteinander verrechnet. Bringt die Bezahlung der sich daraus ergebenden und mit Abschluss der güterrechtlichen Auseinandersetzung fällig werdenden Beteiligungsforderung den verpflichteten Ehegatten in wirtschaftliche Schwierigkeiten, kann er sich Zahlungsfristen ausbedingen (Art. 218 ZGB).[185] Dasselbe gilt für die Begleichung des grundsätzlich ebenfalls mit Abschluss der güterrechtlichen Auseinandersetzung fällig werdenden Mehrwertanteils (vgl. Art. 206 ZGB). Durch die Einräumung der Zahlungsfristen werden sowohl die Fälligkeit als auch die ab diesem Zeitpunkt laufende, zehnjährige Verjährungsfrist (vgl. Art. 7 ZGB i.V.m. Art. 127 OR) aufgeschoben. Der Zahlungsaufschub muss vor Abschluss der güterrechtlichen Auseinandersetzung vor dem Richter geltend gemacht werden.[186]

[182] Die Ausführungen zur Vorschlagsberechnung sind hier aus Platzgründen nur sehr rudimentär gehalten. Einen guten Überblick verschafft z.B. die auf das Wesentliche beschränkte Darstellung bei Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, § 12 Rn 12.164 ff.
[183] Vgl. dazu Hausheer/Aebi-Müller in: Geiser/Fountoulakis, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1456 ZGB, Art. 209 ZGB Rn 1 ff.
[184] Zur ehevertraglichen Modifikation der Vorschlagsbeteiligung siehe Rdn 135.
[185] Zur Fälligkeit bzw. zum Erfordernis der wirtschaftlichen Schwierigkeiten siehe Hausheer/Aebi-Müller in: Geiser/Fountoulakis, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1456 ZGB, Art. 215 ZGB Rn 12 bzw. Art. 218 ZGB Rn 10 ff., m.w.H.
[186] Vgl. Hausheer/Aebi-Müller in: Geiser/Fountoulakis, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, Art. 1456 ZGB, Art. 218 ZGB Rn 6.

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