Rz. 116

Hat der Erblasser seine Verfügungsbefugnis überschritten, können die Erben, die nicht dem Werte nach ihren Pflichtteil erhalten haben, die Herabsetzung der Verfügung auf das erlaubte Maß verlangen (Art. 522 Abs. 1 ZGB).

 

Rz. 117

Die Pflichtteilsverletzung kann mit der Herabsetzungsklage – einer Gestaltungsklage[178] – bis ein Jahr ab Kenntnis des Klagegrundes,[179] spätestens aber zehn Jahre nach der Eröffnung der Verfügung von Todes wegen bzw. bei Zuwendungen zu Lebzeiten seit dem Tod des Erblassers, durchgesetzt werden (Art. 533 Abs. 1 ZGB).[180] Während die Klage innert der erwähnten Fristen zu erheben ist, kann die entsprechende Einrede ohne zeitliche Beschränkung erhoben werden (Art. 533 Abs. 3 ZGB).[181] Die Klage bzw. Einrede steht dem in seinem Pflichtteil Verletzten bzw. dessen Erben zu und richtet sich gegen den zu Unrecht Begünstigten.[182]

 

Rz. 118

Herabgesetzt werden in erster Linie die Verfügungen von Todes wegen, und zwar proportional (Art. 532 i.V.m. Art. 525 Abs. 1 ZGB). Erst wenn deren Kürzung zur Beseitigung der Pflichtteilsverletzung nicht ausreicht, wird auf die lebzeitigen Verfügungen des Erblassers gegriffen, wobei hier nicht eine verhältnismäßige Herabsetzung stattfindet, sondern die späteren vor den früheren Zuwendungen herabgesetzt werden (Art. 532 ZGB).

[178] Wenn die umstrittene Zuwendung bereits ausgerichtet worden ist, muss die eine bloße Umgestaltung der Rechtslage bewirkende Herabsetzungsklage mit einer Leistungsklage verbunden werden; dazu Tuor/Schnyder/Schmid/Rumo-Jungo, § 69 Rn 49.
[179] Der in seinem Pflichtteilsanspruch beeinträchtigte Erbe muss nur diejenigen Elemente des Sachverhalts kennen, die den möglichen Erfolg einer Herabsetzungsklage erwarten lassen; absolute Gewissheit ist nicht erforderlich (vgl. Regeste zu BGE 121 III 249 ff.).
[180] Es handelt sich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes um Verwirkungs-, nicht um Verjährungsfristen; siehe Wolf/Hrubesch-Millauer, Rn 1108.
[181] Vgl. zur einredeweisen Geltendmachung der Herabsetzung bei einem Rentenlegat BGE 135 III 97 ff.
[182] Zur Klage legitimiert sind unter bestimmten Voraussetzungen auch die Konkursverwaltung und die Gläubiger der Pflichtteilserben (Art. 524 ZGB).

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