Rz. 67

Schwierigkeiten bei der Abrechnung bereiten die Übergangsfälle, die in der Praxis durchaus – wenn auch sehr selten – noch auftreten können. Denn es ist unklar, wie abzurechnen ist, wenn sich die Tätigkeit im Mahnverfahren noch nach der BRAGO, sich hingegen die gerichtliche Tätigkeit nach dem RVG vollzieht. Weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung bieten Anhaltspunkte für eine Lösung.

 

Ausgangsfall: Der Rechtsanwalt wird im Juni 2004 beauftragt, vom Gegner 5.000 EUR mittels Mahnbescheid einzufordern. Auftragsgemäß beantragt er den Erlass eines Mahnbescheids. Nachdem der Gegner Widerspruch einlegt, erhebt der Rechtsanwalt im Juli auftragsgemäß Klage. Der Beklagte wird antragsgemäß verurteilt.

Es bieten sich folgende Lösungen an:

aa) Keine Anrechnung

 

Rz. 68

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut Anm. zu VV 3305, der bestimmt, dass eine Verfahrensgebühr nach VV 3305 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, wäre eine Anrechnung nicht vorzunehmen.

 

Rz. 69

Die Anrechnungsregelung bestimmt, dass nur eine nach dem RVG entstandene Verfahrensgebühr erfasst wird. Dies ist gerade nicht gegeben. Vielmehr ist die Gebühr nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstanden. Diese wird gemäß § 41 Abs. 2 BRAGO auf eine Prozessgebühr angerechnet.

bb) Volle Anrechnung

 

Rz. 70

Denkbar ist auch, dass eine Anrechnung der Mahnverfahrensgebühr nach BRAGO in vollem Umfang auf die später nach dem RVG entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Das OLG Düsseldorf[59] hat im Hinblick auf die Widerspruchsgebühr nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO entschieden, dass diese auf die Verfahrensgebühr nach VV 3100 in voller Höhe anzurechnen ist. Gleiches muss daher auch für die Gebühr nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO gelten. Allein der Wegfall der "Prozessgebühr" führt nicht dazu, dass eine Anrechnung unterbleibt. Vielmehr gilt, dass auch das RVG in seiner Anm. zu VV 3305 eine Anrechnung der Mahnverfahrensgebühr vorsieht. Schon hieraus ist die Gleichheit von Prozess- und Verfahrensgebühr abzuleiten. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens. Hinzukommt, dass Sinn und Zweck der Anrechnung eine solche Verfahrensweise gebieten. Denn der Grund für die Anrechnung besteht darin, dass sich der Rechtsanwalt nach dem Mahnverfahren in das streitige Verfahren in geringerem Umfang einarbeiten muss, als bei erstmaliger Befassung mit dem Streitstoff zur Anfertigung der Klageerhebung.

 

Rz. 71

Aus diesen Überlegungen heraus hat daher eine Anrechnung stattzufinden. Das rein formale Argument, der Wortlaut der Anm. zu VV 3305 gebiete lediglich eine Anrechnung der hiernach entstandenen Verfahrensgebühr auf eine Verfahrensgebühr nach VV 3100, und § 43 Abs. 2 BRAGO spreche nur von einer Prozessgebühr, nicht aber von einer Verfahrensgebühr, ist für sich allein nicht tragfähig. Eine ausschließlich am Wortlaut der Vorschriften orientierte Auslegung ohne Rücksicht auf Sinn und Zweck der Regelungen ist daher wenig überzeugend.

[59] OLG Düsseldorf RVG-Letter 2005, 77.

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