Rz. 36

Befand sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so durfte der Verteidiger nach § 83 Abs. 3 BRAGO den jeweiligen Gebührenrahmen um bis zu 25 % überschreiten, wenn die Höchstgebühr der jeweiligen Hauptverhandlungsgebühr anderenfalls nicht ausreichte, um seine Tätigkeit angemessen zu entgelten.

 

Rz. 37

Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 BRAGO war erst durch Art. 7 des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (KostRÄndG 1994) eingeführt worden. Bis dahin war eine Überschreitung des Gebührenrahmens nicht möglich. Die Möglichkeit der Überschreitung sollte vor allem eine angemessene Vergütung für diejenigen Mehrarbeiten ermöglichen, die bei der Verteidigung eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Mandanten hinzukommen. Hier sind also insbesondere die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die der Anwalt hat, sich mit seinem Mandanten zu besprechen, der erhöhte Zeitaufwand durch Besuche in der Haftanstalt oder Unterbringungsanstalt. Auch spezielle Tätigkeiten, die durch die Haft ausgelöst werden, etwa Haftbeschwerden und Haftprüfungsanträge, sind zu berücksichtigen. Daneben erfordert die besondere psychologische Situation von dem Anwalt besondere Mühe. In der Hauptverhandlung kommen weitere Zeitverzögerungen durch die Vorführungen und erforderliche Unterbrechungen hinzu. Dies alles konnte bei einer Überschreitung nach § 83 Abs. 3 BRAGO berücksichtigt werden.

 

Rz. 38

Nunmehr enthält Abs. 4 eine andere Regelung. Soweit der Gesetzgeber die höhere Verantwortung, den Mehraufwand und die zusätzlichen Schwierigkeiten berücksichtigt wissen wollte, die eine Verteidigung oder Vertretung eines anderen Beteiligten mit sich bringt, wenn sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß befindet, hat er für die entsprechenden Gebühren einen zusätzlichen Gebührenrahmen "mit Zuschlag" vorgesehen. In diesen Fällen entsteht für den Verteidiger also von vornherein ein erhöhter Gebührenrahmen, aus dem er dann unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 seine Gebühr ermittelt. Auch hier ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen.

 

Rz. 39

Aus diesem neuen System folgt, dass der Verteidiger nunmehr nicht mehr den höheren Aufwand und die größeren Schwierigkeiten zu begründen braucht, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Er darf also von vornherein in Folge des Zuschlags eine höhere Gebühr abrechnen. Das Entstehen tatsächlicher Erschwernisse ist für die Gewährung des Haftzuschlags nach Abs. 4 nicht erforderlich.[15]

 

Rz. 40

Nur dann, wenn überdurchschnittlicher Aufwand oder überdurchschnittliche Schwierigkeiten etc. dadurch entstanden sind, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befand, und er deshalb über der Mittelgebühr abrechnen will, muss er dies nach wie vor begründen, jetzt allerdings nur im Rahmen des § 14 Abs. 1. Eine zusätzliche Begründung, wieso der einfache Gebührenrahmen ohne Zuschlag nicht ausreicht, ist dagegen nie erforderlich.

 

Rz. 41

Andererseits ist hier zu berücksichtigen, dass zusätzliche Tätigkeiten durch Haftprüfungstermine nur noch eingeschränkt Gebühren erhöhend berücksichtigt werden dürfen, da diese nach VV 4102 jetzt eine eigene Gebühr auslösen.

[15] OLG Nürnberg AGS 2013, 15 = RVGreport 2013, 18 = RVGprof. 2013, 27 u. 63; AG Hanau 19.5.2009 – 50 Ds 4200 Js 20340/07.

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