a) Allgemeines

 

Rz. 65

Neben der Einstellung erhält der Anwalt nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 und 4 auch dann eine Zusätzliche Gebühr, wenn er an der Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid mitwirkt.

 

Rz. 66

Die Zusätzliche Gebühr entsteht auch dann, wenn nicht der Verteidiger selbst, sondern der Betroffene den Einspruch zurücknimmt, solange der Anwalt an der Rücknahme mitgewirkt hat, etwa indem er dazu geraten hat.

 

Rz. 67

Ebenso wie bei einer Einstellung genügt grundsätzlich nicht die Teilrücknahme des Einspruchs wegen einzelner Beschwerdepunkte.

 

Rz. 68

Nimmt einer von mehreren Betroffenen dagegen seinen Einspruch vollständig zurück, so gilt für seinen Verteidiger die Regelung der Anm. Abs. 1 Nr. 2, 4. Es ist nicht erforderlich, dass alle Einsprüche zurückgenommen werden. Erforderlich ist nur, dass das Verfahren gegen den Betroffenen erledigt ist.

b) Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das sich anschließende Verfahren bis zum Eingang der Akten bei Gericht

 

Rz. 69

Nach Einführung des § 84 Abs. 2 BRAGO war zunächst umstritten, ob diese Vorschrift auch dann anzuwenden sei, wenn der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid bereits vor der Verwaltungsbehörde zurückgenommen wurde. Aus der pauschalen Verweisung in § 105 BRAGO auf die Strafsachen konnte auch geschlossen werden, dass nur die Rücknahme des Bußgeldbescheides im gerichtlichen Verfahren die Gebührenerhöhung auslösen sollte. Der Gesetzgeber hatte daraufhin die Vorschrift des § 105 BRAGO geändert, um diese Auslegungsfrage dahin gehend klarzustellen, dass auch schon die Einspruchsrücknahme im Verwaltungsverfahren die Gebührenerhöhung auslösen sollte. Ungeachtet dessen ist nach wie vor – insbesondere von den Rechtsschutzversicherern – häufig in Abrede gestellt worden, dass die Gebührenerhöhung bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde greife. Zuletzt hat die Rechtsprechung zwar einhellig die Gebührenerhöhung angewandt. Nach wie vor blieb die Frage jedoch strittig.

 

Rz. 70

Mit der jetzigen Fassung ist diese Streitfrage endgültig beseitigt. Daher heißt es im Gebührentatbestand ausdrücklich, dass es genügt, wenn sich "das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" erledigt, und zwar wenn der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen wird. Eine Einschränkung, dass dies nur im gerichtlichen Verfahren gehen soll, findet sich nicht. Im Gegenteil folgt aus der differenzierten Regelung in Anm. Abs. 1 Nr. 2 und Anm. Abs. 1 Nr. 4, dass der Gesetzgeber beide Fälle erfassen wollte. Die Regelung in Anm. Abs. 1 Nr. 2 wäre nämlich überflüssig, wenn nur die Einspruchsrücknahme im gerichtlichen Verfahren zur Zusätzlichen Gebühr führen sollte. Die Rücknahme des Einspruchs im gerichtlichen Verfahren ist nämlich abschließend in Anm. Abs. 1 Nr. 4 geregelt.

 

Rz. 71

Die Gegenauffassung, die jetzt nicht mehr vertretbar ist, würde den Zweck der Vorschrift in ihr Gegenteil verkehren. Es würde damit für den Verteidiger der Anreiz geschaffen, die Rücknahme des Einspruchs zu verzögern, um im gerichtlichen Verfahren eine Zusätzliche Gebühr zu erhalten.[53]

[53] AG München AGS 1996, 90 m. Anm. Madert = zfs 1996, 310 m. Anm. Madert.

c) Gerichtliches Verfahren

 

Rz. 72

Wird der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren, also nach Abgabe der Akten an das erstinstanzliche Gericht zurückgenommen, so erhält der Anwalt, der daran mitwirkt, für das gerichtliche Verfahren eine Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 4.

 

Rz. 73

Ist ein Termin zur Hauptverhandlung bereits anberaumt, steht dem Verteidiger die Zusätzliche Gebühr allerdings nur dann zu, wenn der Einspruch früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wird.

 

Rz. 74

Maßgebend ist der Termin, der zum Zeitpunkt der Rücknahme anberaumt war. Auf einen früher einmal anberaumten Termin, der zwischenzeitlich aufgehoben worden ist, darf nicht abgestellt werden.[54]

 

Rz. 75

Schon im Normalfall bestehen unterschiedliche Auffassungen, wie die sog. "Zwei-Wochen-Frist" zu berechnen ist.

 

Beispiel: Nach Eingang der Akten hatte das AG Köln Termin zur Hauptverhandlung auf Mittwoch, den 19.8.2020 bestimmt. Der Verteidiger sollte den Einspruch vor der Hauptverhandlung zurücknehmen.

 

Rz. 76

Die Rücknahme musste also

früher als zwei Wochen
vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war,

zurückgenommen werden.

Wäre der Einspruch erst am Donnerstag, den 6.8.2020, oder noch später zurückgenommen worden, wäre die sog. "Zwei-Wochen-Frist" auf keinen Fall mehr gewahrt gewesen. Eine Zusätzliche Gebühr wäre nicht angefallen.

Auch eine Rücknahme am Mittwoch, den 5.8.2020, hätte nicht ausgereicht, da sie "früher" als zwei Wochen "vor" dem Tage der Hauptverhandlung hätte erklärt werden müssen.

Wäre der Einspruch bis einschließlich zum Montag, den 3.8.2020, zurückgenommen worden, wäre die "Frist" von mehr als zwei Wochen bis zum Hauptverhandlungstermin auf jeden Fall gewahrt gewesen. Die Zusätzliche Gebühr wäre angefallen.

Problematisch wäre es geworden, wenn der Einspruch am Dienstag, den 4.8.2020, zurückgenommen worden wäre.

 

Rz. 77

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