I. Anfertigung oder Unterzeichnung einer Privatklage (Nr. 1)

 

Rz. 3

Soweit sich die Einzeltätigkeit des Anwalts darauf beschränkt, die Privatklage anzufertigen oder zu unterzeichnen, gilt Nr. 1 (früher: § 94 Abs. 4 BRAGO). Der Gebührentatbestand ist jetzt systematisch zutreffend als Einzeltätigkeit erfasst.

 

Rz. 4

Wird der Anwalt später mit der Vertretung des Privatklägers beauftragt, so ist die Gebühr anzurechnen (VV Vorb. 4.3 Abs. 4) auf die Gebühr nach VV 4100 ff., die der Anwalt im nachfolgenden Verfahren als Beistand oder Vertreter des Privatklägers erhält. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Anwalt noch im erstinstanzlichen Verfahren beauftragt wird. Eine Anrechnung auf die Gebühren im Berufungsverfahren ist ausgeschlossen.

 

Beispiel: Der Anwalt wird lediglich mit der Anfertigung und Einreichung der Privatklage beauftragt. Der Privatkläger führt das weitere Verfahren dann selbst. Nach Abweisung der Privatklage beauftragt er den Anwalt, ihn im Berufungsverfahren zu vertreten.

Für die Anfertigung der Privatklage erhält der Anwalt die Gebühr nach Nr. 1; für die Vertretung im Berufungsverfahren die Gebühr nach VV 4100, 4124 ff. Eine Anrechnung nach VV Vorb. 4.3 Abs. 4 ist ausgeschlossen.

II. Anfertigung oder Unterzeichnung einer Schrift zur Rechtfertigung der Berufung (Nr. 2, 1. Alt.)

 

Rz. 5

Für die Berufungsbegründung erhält der Anwalt die Gebühr nach Nr. 2, 1. Alt. Dies gilt auch dann, wenn er mit der Einlegung der Berufung beauftragt war. Einlegung und Begründung zählen nach Anm. zu VV 4301 als dieselbe Angelegenheit. Der Gebührenrahmen bemisst sich nach VV 4300 Nr. 1.

Ausreichend für die Gebühr nach Nr. 2, 1. Alt. ist, dass der Anwalt die Begründung entwirft und der Angeklagte sie selbst ausfertigt und einreicht. Umgekehrt reicht die bloße Unterzeichnung einer vom Angeklagten oder einem Dritten angefertigten Berufungsbegründung. Ebenso wird man die bloße Einreichung als ausreichend ansehen müssen, also wenn der Anwalt eine von dem Auftraggeber oder Dritten angefertigte und unterzeichnete Berufungsbegründung einreicht, sofern er diese vorher geprüft und dafür die Verantwortung übernommen hat. Es wäre dann unnötige Förmelei, wenn man von ihm auch noch zusätzlich die Unterschrift verlangen würde. Entscheidend ist, dass sich der Anwalt mit der Berufungsbegründung befasst hat und hierfür die Verantwortung übernimmt.

III. Anfertigung oder Unterzeichnung einer Schrift zur Beantwortung einer von dem Staatsanwalt, dem Privatkläger oder Nebenkläger eingelegten Berufung (Nr. 2, 2. Alt.)

 

Rz. 6

Legt nicht der Angeklagte selbst, sondern die Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger oder Privatkläger oder ein anderer Beteiligter (VV Vorb. 4 Abs. 1) Rechtsmittel ein und ist der Anwalt dann damit beauftragt, hierzu Stellung zu nehmen, also die Berufungsbegründung zu beantworten und hierauf zu erwidern, erhält er ebenfalls eine Gebühr nach Nr. 2. Auch hier ist nur erforderlich, dass er den Schriftsatz entweder unterzeichnet oder entwirft oder dass er die von einem Dritten unterzeichnete Erklärung bei Gericht einreicht, sofern er hierfür die Verantwortung übernimmt (vgl. auch Rdn 5).

IV. Wechselseitige Rechtsmittel

 

Rz. 7

Hat sowohl der Angeklagte Berufung eingelegt als auch die Staatsanwaltschaft, der Privat- oder Nebenkläger, so kann der Anwalt die Gebühr nach Nr. 2 zweimal verdienen, wenn er sowohl die Berufung des Angeklagten begründet (Nr. 2, 1. Alt.) als auch zur Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft, des Privat- oder Nebenklägers Stellung nimmt (Nr. 2, 2. Alt.). Es liegen zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 Abs. 1 vor, allerdings mit der Begrenzung nach § 15 Abs. 6.

V. Führung des Verkehrs mit dem Verteidiger (Nr. 3)

 

Rz. 8

Unter Nr. 3 fällt die Tätigkeit des Anwalts, der mit dem Verteidiger den Verkehr führt. Dieser Tatbestand ist dem der VV 4300 vergleichbar. Die Gebühr gilt auch dann, wenn der Anwalt den Verkehr mit dem Beistand oder dem Vertreter eines Privat- oder Nebenklägers oder eines anderen Verfahrensbeteiligten führen soll.

 

Rz. 9

Die Gebühr nach Nr. 3 deckt die gesamte Tätigkeit des Verkehrsanwalts in dem betreffenden Rechtszug ab. Durch die Gebühr wird daher insbesondere abgegolten die Beratung des Beschuldigten, Besprechungen mit diesem, die Belehrung über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln, die Beratung über die Aussichten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels sowie Tätigkeiten im Hinblick auf die Einlegung eines Rechtsmittels.

 

Rz. 10

Nicht abgegolten durch die Verkehrsgebühr sind aber Beistandsleistungen in Terminen oder Wahrnehmung anderer Termine; insoweit erhält der Verkehrsanwalt unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 6 zusätzlich eine Gebühr nach Nr. 2.

 

Rz. 11

Die Verkehrsgebühr entsteht in jeder Instanz erneut (§ 15 Abs. 2). Der Anwalt kann daher die Verkehrsgebühr im vorbereitenden Verfahren (VV 4104), im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren (VV 4106 ff.), im Berufungsverfahren (VV 4124 ff.) und im Revisionsverfahren (VV 4130 ff.) gesondert verdienen. Kommt es zu einer Zurückverweisung nach § 21 Abs. 1 oder nach § 20 S. 2, entsteht die Verkehrsanwaltsgebühr erneut.

 

Rz. 12

Die Höhe des Gebührenrahmens ist für alle Instanzen gleich. Eine Unterscheidung wie bei den Verteidigergebühren wird nicht vorgenommen. Die höhere Bedeutung im Rechtsmittelverfahren kann aber nach § 14 Abs. 1 berücksichtigt werden.

VI. Beistandsleistung für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung, einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft oder eine andere Strafverfolgungsbehörde oder in einer Hauptverhandlung, einer mündlichen Anhörung oder einer Augenscheinseinnahme (Nr. 4)

1. Allgemeines

 

Rz. 13

Dieser weitere Gebührentatbestand erfasst Beistandsleistungen für den Beschuldig...

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