1. Allgemeines

 

Rz. 89

Bis zum 31.12.1999 hatte die Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts erhebliche praktische Bedeutung. Mit dem Wegfall des Postulationszwangs vor den Landgerichten hat nicht nur die Einschaltung eines Verkehrsanwalts selbst weitgehend an Bedeutung verloren, sondern gleichzeitig auch die Frage seiner Erstattungsfähigkeit. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist der Anwalt am Ort der Partei nicht mehr gehalten, bei auswärtigen Verfahren vor den Land- oder Familiengerichten einen dort ansässigen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen oder bestellen zu lassen. Er kann vielmehr selbst dort als Verfahrensbevollmächtigter auftreten und die Termine wahrnehmen oder einen Verhandlungsvertreter (VV 3401) bestellen.

Damit hat sich die Frage der Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten zum Teil auf die Frage der Erstattung der Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten[55] und zum Teil auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Terminsvertreters verlagert. Die bisher ergangene Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten kann aus dem vorgenannten Grund auch nicht mehr uneingeschränkt auf die derzeitige Rechtslage übertragen werden. Selbst dann, wenn nach bisherigem Recht die Einschaltung eines Verkehrsanwalts notwendig und damit dessen Kosten erstattungsfähig wären, muss heute zusätzlich gefragt werden, ob nicht die Reisekosten des am Ort ansässigen Anwalts niedriger gelegen hätten, so dass es ihm zumutbar gewesen wäre, den Termin selbst wahrzunehmen, anstatt selbst als Verkehrsanwalt zu fungieren und am auswärtigen Gericht einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen.

 

Beispiel: Die in Bonn ansässige Partei will zwei Klagen erheben, eine vor dem LG Köln (Entfernung 30 km) und eine vor dem LG Berlin (Entfernung 650 km).

Bei einem Gegenstandswert von 5.000 EUR würde sich eine Verkehrsanwaltsgebühr zuzüglich Auslagen auf 354 EUR belaufen.

Die Reisekosten zum LG Köln würden mit (2 x 30 km x 0,42 EUR/km + Abwesenheitsgeld 30 EUR =) 55,20 EUR erheblich unter diesen Kosten liegen.

Die Reisekosten für eine Fahrt nach Berlin würden schon ohne Übernachtung allein bei 626 EUR (2 x 650 km x 0,42 EUR/km + 80 EUR) liegen, so dass hier also die Alternative, als Verkehrsanwalt aufzutreten und einen Prozessbevollmächtigten vor Ort zu bestellen, erheblich günstiger wäre.

 

Rz. 90

Des Weiteren kommt hinzu, dass in den meisten Fällen der am Ort ansässige Anwalt gar nicht mehr als Verkehrsanwalt fungieren wird, auch dann nicht, wenn er nicht am Termin vor dem auswärtigen Gericht teilnehmen will. Da er an dem auswärtigen Gericht postulationsfähig ist, kann er nämlich Verfahrensbevollmächtigter bleiben und für die Verhandlung und Beweisaufnahme einen Vertreter nach VV 3401 bestellen. Insoweit gelten dann die dortigen Erstattungsgrundsätze.

 

Rz. 91

Die bisherige Unübersichtlichkeit der Rechtsprechung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten ist zwischenzeitlich durch einige BGH-Rechtsprechungen beseitigt worden. Insoweit ist der Anwalt gehalten, sich hiermit vertraut zu machen.

[55] Siehe hierzu Madert, AGS 2001, 218.

2. Grundsätze der Erstattungsfähigkeit

a) Gesetzliche Regelung

 

Rz. 92

Den Maßstab für die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Verkehrsanwalts legt § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO fest. Danach sind nur solche Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Vor der Erweiterung der Postulationsfähigkeit der Rechtsanwälte war es in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und der Literatur weitgehend einheitliche Ansicht, dass die Einschaltung eines Verkehrsanwalts, grundsätzlich nicht notwendig ist und im Allgemeinen nur die Kosten einer oder ggf. mehrerer Informationsreisen der auswärtigen Partei zu ihrem Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig sind.[56] Danach sind Kosten des Verkehrsanwalts nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn es der Partei etwa wegen Krankheit oder sonstiger persönlicher Unfähigkeit unmöglich oder unzumutbar ist, den Prozessbevollmächtigten am entfernten Gerichtsort persönlich oder schriftlich und telefonisch zu informieren. Im Berufungsverfahren kann die Beteiligung eines Verkehrsanwalts auch dann notwendig werden, wenn ein neuer tatsächlich oder rechtlich besonders schwieriger Prozessstoff in das Verfahren eingeführt wird. Die gesetzliche Regelung für die Erstattungsfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten findet sich in § 91 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO. Danach sind die Kosten eines Verkehrsanwalts erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.

[56] BGH 7.6.2006 – XII ZB 245/04, AGS 2006, 518 = RVGreport 2006, 311 = Rpfleger 2006, 570; OLG Hamm JurBüro 1987, 270; OLG Frankfurt Rpfleger 1999, 463; OLG Düsseldorf OLGR 2000, 41; OLG Hamburg MDR 2002, 542; Zöller/Herget, § 91 Rn 13.105 "Verkehrsanwalt"; Musielak/Flockenhaus, ZPO, § 91 Rn 27 ff.; jeweils m.w.N.

b) Notwendigkeit

aa) Grundsatz

 

Rz. 93

Die Notwendigkeit, einen Verkehrsanwalt einzuschalten, ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die ...

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