I. Allgemeines

 

Rz. 32

Bei Anm. Nr. 2 handelt es sich um eine Vorschrift, deren Verständnis und Anwendung dem Rechtsanwalt häufig Schwierigkeiten bereiten, über deren Existenz sogar vielfach Unkenntnis besteht. Mit Anm. Nr. 2 soll einerseits die Situation gebührenrechtlich erfasst werden, in der die Tätigkeit des Rechtsanwalts lediglich darauf beschränkt sein soll zu beantragen, eine Einigung der Parteien zu Protokoll zu nehmen. Andererseits ist der Anwendungsbereich nicht auf derartig beschränkte Mandate begrenzt, vielmehr – und dies ist der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift – findet Anm. Nr. 2 immer auch dann Anwendung, wenn bei einer Einigung Angelegenheiten mit geregelt werden, die zuvor nicht Gegenstand des dem Rechtsanwalt erteilten Auftrags waren. Wenn der Prozessbevollmächtigte in einer derartigen Situation im Einverständnis mit seinem Auftraggeber eine Einigung der Parteien zu Protokoll nehmen lässt, steht ihm hierfür nach Anm. Nr. 2 eine 0,5-Verfahrensgebühr zu.

II. Regelungsgehalt – Antrag auf gerichtliche Protokollierung

 

Rz. 33

Nach Anm. Nr. 2 entsteht für den Antrag auf Protokollierung einer Einigung bzw. für Einigungsverhandlungen ebenfalls eine Verfahrensgebühr von höchstens 0,5.

 

Rz. 34

Bei der Verfahrensgebühr nach Anm. Nr. 2 handelt es sich um die sog. Verfahrensdifferenzgebühr. Wie sich aus Anm. Nr. 2 Alt. 2 ergibt, entsteht die Verfahrensdifferenzgebühr nicht nur, wenn es tatsächlich zu einer Einigung gekommen ist, sondern auch dann, wenn nur Verhandlungen über eine Einigung geführt werden, mögen diese im Ergebnis auch erfolglos geblieben sein. Die Verfahrensdifferenzgebühr fällt mit einem Gebührensatz von höchstens 0,5 an. Sind die Einigungsverhandlungen erfolgreich, so verbleibt es bei diesem Gebührensatz der Verfahrensgebühr; sie wächst nicht zur vollen Verfahrensgebühr (z.B. höchstens 1,0 bei VV 3335) an.[19] Bei der entsprechenden Gebühr Anm. Nr. 2 zu VV 3101 ist dies durch das 2. KostRMoG ausdrücklich festgehalten worden;[20] eine entsprechende Klarstellung für VV 3337 ist übersehen worden. Die Verhandlungen müssen vor einem Gericht geführt sein. Die Ansprüche dürfen in dem betroffenen Gerichtsverfahren nicht rechtshängig sein. Erforderlich ist auch, dass der Anwalt einen Auftrag zur Verhandlung über die nicht rechtshängigen Ansprüche hat. Für die Entstehung des Gebührentatbestandes Anm. Nr. 2 ist es unerheblich, ob die einbezogenen Ansprüche in einem anderen Verfahren rechtshängig sind und ob derselbe Anwalt in diesem anderen Verfahren bereits eine volle Verfahrensgebühr verdient hat. Anm. Abs. 1 zu VV 3101 gilt entsprechend.

 

Rz. 35

Zusätzlich zu der vollen 0,75- bzw. 1,0-Verfahrensgebühr nach VV 3324 bis 3327, VV 3334 bzw. VV 3335 kann dem Rechtsanwalt somit bei Protokollierung einer Einigung bzw. bei Einigungsverhandlungen zwischen dem Antragsteller und dem Gegner eine 0,5-Verfahrensgebühr aus dem Wert der nicht "anhängigen" bzw. anderweitig "anhängigen" Ansprüche erwachsen. Allerdings darf der Rechtsanwalt nach § 15 Abs. 3 nicht mehr berechnen als eine 0,75- bzw. 1,0-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert der rechtshängigen und nicht rechtshängigen bzw. anderweitig rechtshängigen Ansprüche.

 

Rz. 36

 

Beispiel: Erfolglose Verhandlungen vor Gericht über nicht rechtshängige Ansprüche

Der Rechtsanwalt beantragt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage seines Auftraggebers über 3.000 EUR ein. Im Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 ZPO) werden vor Gericht die Ansprüche des Auftraggebers nicht nur hinsichtlich der 3.000 EUR erörtert, sondern auch gleichzeitig Vergleichsverhandlungen über weitere 10.000 EUR geführt. Hierfür hatte der Rechtsanwalt das Mandat. Die Vergleichsverhandlungen scheitern insgesamt. Das Gericht weist den Prozesskostenhilfeantrag zurück. In welcher Höhe ist für den Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr entstanden?

Der Rechtsanwalt erhält die 1,0-Verfahrensgebühr (VV 3335) aus dem Wert von 3.000 EUR über 222 EUR. Zusätzlich verdient er die 0,5-Verfahrensdifferenzgebühr (Anm. Nr. 2 zu VV 3337) aus dem Wert von 10.000 EUR über 307 EUR. Zu berücksichtigen ist die Gebührenbegrenzung des § 15 Abs. 3. Da für Teile des Gegenstands der einheitlichen gebührenrechtlichen Angelegenheit unterschiedliche Gebührensätze angefallen sind (1,0 und 0,5), darf der Verdienst nicht höher liegen als der Betrag aus einer 1,0-Verfahrensgebühr nach dem Gesamtwert von 13.000 EUR über 666 EUR. Mit dem Betrag von 529 EUR (222 EUR + 307 EUR) ist dieses auch nicht der Fall.

 

Rz. 37

 

Praxistipp: Sicherstellung der Verfahrensdifferenzgebühr

Der Umgang der Rechtspraxis mit der Verfahrensdifferenzgebühr ist immer noch von Rechtsunsicherheiten geprägt.

Wird über nicht rechtshängige Ansprüche in einem Rechtsstreit zum Zwecke der Einigung verhandelt, sollte unbedingt auf eine sich darauf beziehende Protokollierung geachtet werden. Dies vermeidet eventuelle Schwierigkeiten in einem Kosten- bzw. Vergütungsfestsetzungsverfahren.

Darüber hinaus sollte der Anwalt auf eine Streitwertfestsetzung achten – und zwar eben auch dann, wenn ein Vergleich vor dem Gericht nicht abgeschlossen wurde. Denn die...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge