aa) Grundsätze

 

Rz. 205

Die Kosten einer Vorpfändung gemäß § 845 ZPO werden von Teilen der Rechtsprechung nur mit Einschränkungen als erstattungsfähig angesehen. Nach richtiger Ansicht sind die Kosten – wenn sachgerecht auch mehrerer[200] – Vorpfändungen erstattungsfähig, wenn der Schuldner ausreichend Zeit zu einer freiwilligen Leistung hatte und die Vorpfändung nicht erkennbar überflüssig ist.[201] Die Notwendigkeit kann sich z.B. daraus ergeben, dass dem Gläubiger ein bestimmter Rang gesichert werden sollte.[202]

 

Rz. 206

Demgegenüber wird häufig zusätzlich verlangt, der Gläubiger habe begründeten Anlass zur Besorgnis haben müssen, ohne die Vorpfändung seine Forderung nicht realisieren zu können, etwa bei drohender Insolvenz oder Vollstreckungsvereitelung.[203] Damit werden an den Gläubiger zu hohe Anforderungen gestellt, weil er solche Informationen meistens nicht hat. Für die vorgenannte eingeschränkte Erstattungsfähigkeit besteht auch aus folgenden Gründen kein Anlass: Das Gesetz stellt die Möglichkeit der Vorpfändung ohne besonderes Rechtsschutzinteresse zur Verfügung; der Sinn und Zweck der Vorpfändung besteht gerade in der Vermeidung langer Wartezeiten; mit Blick auf die Rangfolge des § 804 ZPO muss stets befürchtet werden, ein anderer Gläubiger werde einem zuvorkommen; durch die Rückschlagsperre des § 88 InsO sowie die beschränkte Wirksamkeit von Pfändungen der Bezüge aus Diensteinkommen gemäß § 114 Abs. 3 InsO ist eine unverzügliche Pfändung grundsätzlich stets notwendig. So hat der BGH[204] denn auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz, eine Partei müsse die Kosten niedrig halten, nicht dazu führen darf, dass sie in ihrem berechtigten Interesse an einer schnellen Vollstreckung beeinträchtigt wird.

[200] LG Landau AGS 2008, 263; OLG Köln Rpfleger 2001, 149.
[201] OLG Köln Rpfleger 2001, 149; KG Rpfleger 1987, 216; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 425; Musielak/Becker, § 845 Rn 10; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3310 Rn 23; Hansens/Braun/Schneider/Volpert, Teil 18 Rn 214; HK-ZV/Kessel, § 788 ZPO Rn 103.
[202] LG München II AGS 2013, 539.
[203] OLG München JurBüro 1973, 872; OLG Frankfurt MDR 1994, 843; OLG Hamburg JurBüro 1990, 533 m. Anm. Mümmler; LG München II AGS 2013, 539; AG Homburg DGVZ 2000, 173; MüKo/Karsten Schmidt, ZPO, § 788 Rn 22b und 24; HK-ZPO/Saenger § 788 Rn 30.

bb) Monatsfrist des § 845 Abs. 2 ZPO

 

Rz. 207

Hat der Gläubiger allerdings die Monatsfrist des § 845 Abs. 2 ZPO für die Durchführung der normalen Pfändung nicht eingehalten, kommt eine Erstattung nur in Frage, wenn für die Fristversäumung ein triftiger Grund vorliegt.[205] Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles, sodass entgegen einer verbreiteten Meinung[206] aus der Verfristung nicht zwingend eine Nichterstattung folgen muss.[207]

[205] LG München II AGS 2013, 539; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 426, dessen Arg. der Drittschuldnererklärung allerdings nicht zutrifft, weil eine Verpflichtung zu einer solchen nach h.M. (z.B. BGH 4.4.1977 – VIII ZR 217/75, NJW 1977, 1199; Musielak/Becker, § 845 Rn 4) durch eine Vorpfändung nicht begründet wird; LAG Köln JurBüro 1993, 622; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3310 Rn 23.
[206] AG Heilbronn DGVZ 2003, 13; MüKo/Karsten Schmidt, ZPO, § 788 Rn 22b; Musielak/Becker, § 845 Rn 10; Hansens, BRAGO, § 57 Rn 27.
[207] OLG Köln InVo 2001, 148, 150; LAG Köln JurBüro 1993, 622; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 426; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3310 Rn 23.

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