1. Anrechnung auf die Verfahrensgebühr

 

Rz. 28

Soweit eine Gebühr auf die Verfahrensgebühr der VV 3200 anzurechnen ist, ist sie selbstverständlich auch auf die entsprechende Gebühr der VV 3200, 3201 anzurechnen.

 

Rz. 29

Hier ist insbesondere zu beachten, dass bei Miteinbeziehung nicht anhängiger Gegenstände in eine Einigung eine zuvor verdiente Geschäftsgebühr (VV 2300) nach VV Vorb. 3 Abs. 4 hälftig anzurechnen ist, höchstens zu 0,75.

 

Beispiel: Der Anwalt ist in einem Berufungsverfahren (Wert: 15.000 EUR) beauftragt worden. Gleichzeitig ist er außergerichtlich mit der Abwehr einer Forderung i.H.v. 5.000 EUR beauftragt worden. Im Berufungsverfahren wird im Termin versucht, die nicht anhängigen 5.000 EUR in eine Gesamteinigung einzubeziehen. Der Versuch scheitert.

Vorgerichtlich ist aus dem Wert von 5.000 EUR eine 1,5-Geschäftsgebühr nach VV 2300 angefallen, im Berufungsverfahren eine 1,1-Gebühr nach VV 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. zu VV 3201. Nach VV Vorb. 3 Abs. 4 ist die Geschäftsgebühr hälftig anzurechnen.

Dabei ist zu beachten, dass erst anzurechnen und dann nach § 15 Abs. 3 zu kürzen ist, nicht umgekehrt.[9]

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 5.000 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   501,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 521,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   98,99 EUR
Gesamt   619,99 EUR

II. Berufungsverfahren

 
1.

1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200

(Wert: 15.000 EUR)
  1.148,80 EUR
2.

1,1-Verfahrensgebühr, VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 2

(Wert: 5.000 EUR)
  367,40 EUR
3. ./. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 5.000 EUR   – 250,50 EUR[10]
4.

1,2-Terminsgebühr, VV 3202

(Wert: 20.000 EUR)
  986,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.272,10 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   431,70 EUR
Gesamt   2.730,80 EUR
[9] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = RVGreport 2009, 103 = JurBüro 2009, 246; OLG München AGS 2012, 231 = RVGreport 2012, 176 = NJW-RR 2012, 767; OLG Karlsruhe 16.8.2013 – 13 W 71/13, AGS 2013, 436; N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 155; a.A. AG Düsseldorf 6.4.2016 – 42 C 73/15.
[10] Die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3, 1,6 aus 20.000 EUR (1.315,20 EUR), ist nach der Anrechnung nicht mehr überschritten.

2. Anrechnung der Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 S. 2 zu VV 3201

 

Rz. 30

Auch die Anm. zu VV 3201 sieht eine Anrechnung der Verfahrensgebühr vor, wenn

im Berufungsverfahren nicht anhängige Ansprüche mit erörtert werden, es aber nicht zu einer Einigung kommt und diese Ansprüche dann in einem späteren Verfahren doch nochmals geltend gemacht werden,
es zu einer Einigung kommt über Gegenstände, die in einem anderen Verfahren anhängig sind.

Anzurechnen ist auch hier nur der Differenzbetrag.

 

Rz. 31

Vereinfacht kann folgende Anrechnungsformel zugrunde gelegt werden:

 
Anrechnungsformel nach Anm. zu VV 3201
  1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200 aus dem Wert der anhängigen Gegenstände
+ 1,1-Verfahrensgebühr, VV 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu VV 3201 aus dem Mehrwert
  (gegebenenfalls nach § 15 Abs. 3 gekürzt)
1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200 aus dem Wert der anhängigen Gegenstände
= Anrechnungsbetrag
 

Beispiel: In einem Berufungsverfahren über 10.000 EUR verhandeln die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung über die anhängigen 10.000 EUR sowie weitere nicht anhängige 8.000 EUR. Eine Einigung kommt nicht zustande. Wegen der 8.000 EUR wird nunmehr Klage erhoben und darüber erneut verhandelt.

I. Der Anwalt erhält daher im Berufungsverfahren folgende Vergütung:

 
1.

1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200

(Wert: 10.000 EUR)
982,40 EUR  
2.

1,1-Verfahrensgebühr, VV 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu VV 3201

(Wert: 8.000 EUR)
552,20 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als 1,6 aus 18.000 EUR   1.232,00 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3202

(Wert: 18.000 EUR)
  924,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.176,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   413,44 EUR
Gesamt   2.589,44 EUR

II. Von der Verfahrensgebühr anzurechnen sind:

 
  1,6-Verfahrensgebühr aus 18.000 EUR 1.232,00 EUR
./. 1,6-Verfahrensgebühr, Anm. S. 1 Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu VV 3201 aus 10.000 EUR – 982,40 EUR
Anrechnungsbetrag 249,60 EUR

III. Von der Terminsgebühr anzurechnen sind (siehe auch VV 3202 Rdn 24):

 
  1,2-Gebühr aus 18.000 EUR   924,00 EUR
./. 1,2-Gebühr aus 10.000 EUR – 736,80 EUR
Anrechnungsbetrag   187,20 EUR

IV. Für das weitere Verfahren erhält der Anwalt also:

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 8.000 EUR)
  652,60 EUR
2. gem. Anm. Abs. 1 zu VV 3201 anzurechnen   – 249,60 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 8.000 EUR)
  602,40 EUR
4. gem. Anm. zu VV 3202, Anm. Abs. 2 zu VV 3104 anzurechnen   – 187,20 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 838,20 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   159,26 EUR
Gesamt   997,46 EUR
Gesamt I. u. IV.   3.586,90 EUR
 

Rz. 32

Aufgrund der Regelung des § 15a ist es auch möglich, die Anrechnung im Berufungsverfahren vorzunehmen. Am Gesamtergebnis ändert sich nichts.

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