I. Allgemeines

 

Rz. 87

Abs. 4 ist zum 1.1.2007 durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz eingeführt worden und hat ein Novum geschaffen. Bislang war im RVG nur vorgesehen, dass Betriebsgebühren aufeinander angerechnet wurden, also Geschäfts- und Verfahrensgebühren (einschließlich der Beratungsgebühr, § 34 Abs. 2, und der Prüfungsgebühren, Anm. zu VV 2100, 2102). Weshalb der Gesetzgeber sich im Nachhinein veranlasst sah, die Anrechnung einer Terminsgebühr einzuführen, ist letztlich nicht nachzuvollziehen. Der Anwalt, der sich im Mahnverfahren oder im vereinfachten Verfahren auf Festsetzung Minderjährigenunterhalts bemüht, die Sache durch Besprechungen zu erledigen (VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2), wird letztlich bestraft, wenn es nicht zu einer Einigung kommt. So wird der Anreiz, den das RVG ursprünglich geschaffen hatte, nachträglich wieder entwertet.

 

Rz. 88

Beschränkt ist die Anrechnung der Terminsgebühr auf das Mahnverfahren und das vereinfachte Verfahren auf Festsetzung Unterhalt Minderjähriger. Die gleiche Situation besteht zwar in ähnlichen Fällen, in denen jedoch nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes eine Anrechnung der Terminsgebühr nach wie vor ausgeschlossen bleibt, z.B.

in Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde und im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren,
im Verfahren nach § 165 FamFG (§ 52a FGG a.F.) und im nachfolgenden Umgangsrechtsverfahren,
im selbstständigen Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren,
in Urkunden- und Nachverfahren,
in Verfahren vor und nach Zurückverweisung.

II. Anrechnung im Mahnverfahren

 

Rz. 89

Anzurechnen ist nach Anm. Abs. 4 die in einem vorausgegangenen Mahnverfahren entstandene Terminsgebühr auf die Terminsgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits. Da im Mahnverfahren eine Terminsgebühr (nur) unter den Voraussetzungen der VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 3. Nr. 2 entstehen kann, beschränkt sich der Anwendungsbereich der Anrechnung folglich auch nur auf diese Gebühr. Sie ist anzurechnen, wenn es zu einem "nachfolgenden" Rechtsstreit kommt.

 

Rz. 90

Mit nachfolgendem Rechtsstreit i.S.d. Anm. Abs. 4 dürfte nur das streitige Verfahren nach § 696 Abs. 1 S. 2, 700 Abs. 3 ZPO bzw. nach § 255 FamFG gemeint sein, also das Verfahren, das sich nach Widerspruch oder Einspruch an das Mahnverfahren anschließt, bzw. das gerichtliche Verfahren, das sich im Falle von Einwendungen nach § 252 FamFG anschließt. Nicht gemeint sind andere nachfolgende Verfahren. So findet z.B. keine Anrechnung statt, wenn im Mahnverfahren ein Vollstreckungsbescheid ergeht und später eine Vollstreckungsgegenklage eingereicht wird oder wenn nach Festsetzung des Unterhalts gemäß § 240 FamFG eine Abänderungsklage erhoben wird.

 

Beispiel: Der Anwalt erhält den Auftrag für ein Mahnverfahren über 7.500 EUR. Nach Erlass des Mahnbescheids verhandeln die Anwälte, jedoch ohne zu einer Einigung zu gelangen. Der Antragsgegner legt daraufhin Widerspruch ein. Nach Abgabe an das zuständige LG wird mündlich verhandelt.

Zwar ist die Terminsgebühr im Mahnverfahren entstanden (Vorb. 3.3.2 i.V.m. VV 3104); sie ist jedoch in vollem Umfang auf die Terminsgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits (VV 3104) anzurechnen (Anm. Abs. 4 zu VV 3104).

I. Mahnverfahren

 
1.

1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305

(Wert: 7.500 EUR)
  502,00 EUR
2.

1,2-Terminsgebühr, VV Vorb. 3.3.2, 3104

(Wert: 7.500 EUR)
  602,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.124,40 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   213,64 EUR
Gesamt   1.338,04 EUR

II. Streitiges Verfahren

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 7.500 EUR)
  652,60 EUR
2.

anzurechnen gem. Anm. zu VV 3305,

1,0 aus 7.500 EUR
  – 502,00 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 7.500 EUR)
  602,40 EUR
4.

anzurechnen gem. Anm. Abs. 4 zu VV 3104,

1,2 aus 7.500 EUR
  – 602,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 170,60 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   32,41 EUR
Gesamt   203,01 EUR
 

Rz. 91

Hat das streitige Verfahren einen geringeren Wert als das Mahnverfahren, ist die Terminsgebühr ebenfalls anzurechnen, allerdings nur aus dem geringeren Wert. Eine ausdrückliche Regelung hierzu fehlt. Insoweit dürfte VV Vorb. 3 Abs. 4 analog heranzuziehen sein. Anzurechnen ist die Terminsgebühr nach dem Gegenstand, der dem Mahnverfahren und dem streitigen Verfahren gemeinsam ist.

 

Beispiel: Der Anwalt erhält einen Auftrag für ein Mahnverfahren über 7.500 EUR. Der Antragsgegner legt nach erfolglosen Einigungsgesprächen Widerspruch ein. Das streitige Verfahren wird nur wegen einer Forderung von 5.000 EUR durchgeführt.

I. Mahnverfahren

 
1.

1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305

(Wert: 7.500 EUR)
  502,00 EUR
2.

1,2-Terminsgebühr, VV Vorb. 3.3.2, 3104

(Wert: 7.500 EUR)
  602,40 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.124,40 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   213,64 EUR
Gesamt   1.338,04 EUR

II. Streitiges Verfahren

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100

(Wert: 5.000 EUR)
  434,20 EUR
2.

anzurechnen gem. Anm. zu VV 3305,

1,0 aus 5.000 EUR
  – 334,00 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104

(Wert: 5.000 EUR)
  400,80 EUR
4.

anzurechnen ...

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