Rz. 48

Nach herrschender Meinung zur früheren Rechtslage erhielt der Anwalt für die Einreichung einer Schutzschrift nur eine 5/10-Prozessgebühr, da Anträge in der Schutzschrift mangels eines anhängigen Verfahrens nicht als Sachanträge angesehen wurden.[52] Unter der Geltung des RVG, das für die Entstehung der vollen 1,3-Verfahrensgebühr keinen Sachantrag mehr voraussetzt, sondern Sachvortrag genügen lässt (hierzu näher vgl. Rdn 50 ff.), wird man dies anders beurteilen müssen.

Reicht der Anwalt eine Schutzschrift in einer Wettbewerbssache ein, ist mit der späteren Einreichung des Verfügungsantrags die Schutzschrift Verfahrensbestandteil geworden, so dass sie von dem angerufenen Gericht bei seiner späteren Sachentscheidung zu berücksichtigen ist.[53] Damit ist nach einer Ansicht für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine volle 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 angefallen. Nach der Gegenansicht[54] handelt es sich dann nicht um einen Sachantrag, wenn der Rechtsanwalt in einer Wettbewerbssache eine Schutzschrift einreicht, in der er vorsorglich einen "Antrag" auf Zurückweisung des erwarteten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt.[55] Denn zum Zeitpunkt der Einreichung könne der spätere Antragsgegner noch nicht wissen, ob überhaupt und gegebenenfalls mit welchem Inhalt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt werden würde. Dies überzeugt jedoch bei der Frage der Entstehung der Gebühr nicht, sondern bezieht sich vielmehr auf die Ebene der Erstattungsfähigkeit. Problematisieren kann man sicherlich, ob ein derartiger Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendig im erstattungsrechtlichen Sinn war und deshalb bei der Erstattung außer Betracht zu bleiben hat, selbst wenn er im Verhältnis zur auftraggebenden Partei zur Entstehung einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr führen sollte.[56] Hier ist auf den weiteren Verfahrensverlauf abzustellen. Kommt es später tatsächlich zu dem erwarteten einstweiligen Verfügungsverfahren, ist die Gebühr erstattungsfähig und zwar auch dann, wenn der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgenommen oder zurückgewiesen wird.[57] Ob das Gericht, bei dem der Verfügungsantrag gestellt wird, die Schutzschrift vor seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen hat oder nicht, ist dabei nicht entscheidend.[58]

[52] BGH 13.2.2003 – I ZB 23/02, NJW 2003, 1257; OLG München WRP 1992, 811; OLG Köln Rpfleger 1995, 518; a.A. OLG Koblenz JurBüro 1990, 1160; N. Schneider, AGS 2003, 272.
[53] BGH 5.11.2008 – I ZB 16/08, RVGreport 2009, 265; BGH 13.3.2008 – I ZB 20/07, AGS 2008, 274 = RVGreport 2008, 223; OLG Hamburg AGS 2007, 449 unter Aufgabe der bisherigen Rspr.; OLG Nürnberg AGS 2005, 339; OLG Koblenz JurBüro 1990, 1160; OLG Düsseldorf AGS 2006, 489 m. Anm. N. Schneider; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, Anhang II Rn 172.
[54] BGH 13.2.2003 – I ZB 23/02, AGS 2003, 272; KG Berlin AnwBl 1995, 418; OLG Köln OLGR Köln 1996, 51; OLG Saarbrücken OLGR Saarbrücken 1998, 336; AnwK-RVG/Gebauer, 2. Aufl., VV 3101 Rn 48.
[55] LG Düsseldorf 28.9.2016 – 2a O 269/15; OLG Hamm JurBüro 1979, 1015; OLG Hamburg JurBüro 1977, 1730; OLG Frankfurt JurBüro 1978, 1087; OLG Hamburg AnwBl 1980, 363.
[57] BGH 5.11.2008 – I ZB 16/08, RVGreport 2009, 265; BGH 13.3.2008 – I ZB 20/07, AGS 2008, 274; BGH 13.2.2003 – I ZB 23/02, AGS 2003, 272; OLG Hamburg JurBüro 1983, 1819.
[58] OLG Hamburg 4.7.2016 – 8 W 68/16, AGS 2016, 546 = JurBüro 2016, 595.

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