1. Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht

 

Rz. 18

Dem Anwalt muss der Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels erteilt worden sein.[15] Daran fehlt es, wenn der Anwalt die Übernahme des Mandats davon abhängig macht, ob das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat, und er dieses nach Prüfung der Sache verneint. In diesem Fall ist erst gar kein Auftrag zustande gekommen, so dass dem Anwalt überhaupt keine Vergütung zusteht.[16] Ebenso wenig entsteht die Vergütung nach VV 2100, soweit der Anwalt unaufgefordert über die Aussicht eines Rechtsmittels berät. Auch hierfür erhält er keine Vergütung.[17]

 

Rz. 19

Ein Auftrag zur Prüfungstätigkeit ist allerdings noch nicht anzunehmen, wenn der Revisionsbeklagte sich durch seinen Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten der ersten und zweiten Instanz dahin beraten lässt, ob eine Vertretung durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich sei und der Anwalt dies verneint, weil ein Versäumnisurteil ausgeschlossen werden könne.[18]

[15] BGH 11.4.1991 – I ARZ 136/91, NJW 1991, 2084.
[16] OLG Bremen KostRsp. BRAGO § 20 Nr. 1 = BB 1970, 194.
[17] OLG Zweibrücken JurBüro 1998, 21 m. Anm. Enders; OLG Hamm AGS 2001, 174 = OLGR 2001, 168; OLG Karlsruhe OLGR 2001, 315.
[18] OLG Stuttgart RVGreport 2009, 64 = OLGR 2008, 732.

2. Kein weiter gehender Auftrag

 

Rz. 20

Der Auftrag muss ausschließlich zur Prüfung erteilt worden sein. Der Anwalt darf daher noch keinen unbedingten Prozess- oder Verfahrensauftrag für das Rechtsmittel erhalten haben. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren abgegolten, die auch die Beratung abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1). Ein bedingter Auftrag schadet dagegen nicht (siehe Rdn 23).

3. Die einzelnen Verfahrenskonstellationen

a) Überblick

 

Rz. 21

Der Auftrag muss ausschließlich zur Prüfung erteilt worden sein. Der Anwalt darf daher noch keinen unbedingten Prozess- oder Verfahrensauftrag für das Rechtsmittel erhalten haben. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren abgegolten, die auch die Beratung abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1). Ein bedingter Auftrag schadet dagegen nicht (siehe Rdn 23). Im Einzelnen gilt Folgendes:

b) Zunächst Prüfungsauftrag – dann Rechtmittelauftrag

 

Rz. 22

Wird der Anwalt zunächst beauftragt, die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu prüfen und erhält er nach der Prüfung den Auftrag das Rechtsmittel einzulegen, dann ist die Sache eindeutig. Es liegen zwei Angelegenheiten i.S.d. § 15 vor. Der Anwalt erhält für die Prüfung die Gebühr der VV 2100 und für das Rechtsmittelverfahren die Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens. Die Prüfungsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr nach Anm. zu VV 2100 anzurechnen, soweit sich die Gegenstände von Prüfung und Rechtsmittel decken (zur Abrechnung siehe Rdn 40 ff.).

c) Prüfungsauftrag mit bedingtem Rechtsmittelauftrag

 

Rz. 23

Nicht anders verhält es sich, wenn dem Anwalt mit dem Auftrag, die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu prüfen, bereits der bedingte Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilt wird, wenn also der Anwalt für den Fall, dass er im Rahmen seiner Prüfung zu einer Erfolgsaussicht gelangt, das Rechtsmittel auch einlegen soll. Der Anwalt erhält dann für die Prüfung wiederum die Gebühr der VV 2100. Kommt er zu dem Ergebnis, dass Erfolgsaussicht besteht, so wird damit gemäß § 158 BGB der Auftrag für das Rechtsmittelverfahren wirksam, sodass damit die Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens ausgelöst wird. Soweit der Anwalt die Erfolgsaussicht insgesamt bejaht, entsteht die Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert. Soweit der Anwalt die Erfolgsaussicht nur teilweise bejaht, entsteht die Verfahrensgebühr nur aus diesem Teilbetrag. Die Prüfungsgebühr ist dann wiederum auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, soweit sich die Gegenstände von Prüfung und Rechtsmittel decken (zur Abrechnung siehe Rdn 40 ff.).

 

Rz. 24

Das LG Köln geht davon aus, dass ein Mandant, der vor Besprechung der Berufungsaussichten bereits den Auftrag für eine Berufungseinlegung erteilt, erwartet, dass er vor Durchführung der Berufung noch eine entsprechende – auch kostenpflichtige – Beratung zum Umfang der Verfolgung der Berufung erhält. Insoweit soll in der Regel ein konkludenter umfassender Beratungsauftrag vorliegen, der gleichzeitig mit dem bedingten Auftrag zur Berufungseinlegung im Rahmen der Erfolgsaussicht erteilt wird.[19]

[19] LG Köln AGS 2012, 385 = NJW-RR 2012, 1471.

d) Uneingeschränkter Rechtsmittelauftrag – Anwalt rät ganz oder teilweise ab

 

Rz. 25

Hat der Anwalt bereits einen unbedingten Prozess- oder Verfahrensauftrag für das Rechtsmittelverfahren erhalten und rät er anschließend von der Einlegung oder Durchführung des Rechtsmittels ganz oder teilweise ab, so entsteht nur die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens, da diese Gebühr bereits mit der Entgegennahme der Information anfällt (z.B. VV Vorb. 3 Abs. 2) und sie gleichzeitig auch die Beratungstätigkeit des Anwalts über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1). Für die Anwendung der VV 2100 ist daneben kein Raum, da es an einem gesonderten Auftrag fehlt. Insoweit kann die Anm. Abs. 1 zu VV 2100 a.F. entsprechend herangezogen werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht mit einer "anderen gebührenp...

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