I. Überblick

 

Rz. 5

Voraussetzungen der Zusatzgebühr bzw. der Gebührenerhöhung sind

besonders umfangreiche Beweisaufnahmen einerseits und
mindestens drei gerichtliche Termine, in denen Sachverständige oder Zeugen vernommen werden, andererseits.

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

II. Besonderer Umfang

 

Rz. 6

Zunächst einmal ist Voraussetzung, dass eine "besonders umfangreiche Beweisaufnahme" stattgefunden hat. Eine bloß umfangreiche Beweisaufnahme genügt nicht. Sie muss besonders umfangreich gewesen sein.

 

Rz. 7

Die entsprechenden Kriterien wird die Rechtsprechung sicherlich noch herausarbeiten. Insoweit kann man sich gegebenenfalls an die §§ 42 und 51 anlehnen, die ebenfalls einen "besonderen Umfang" voraussetzen.

 

Rz. 8

Klargestellt ist jedenfalls durch das Tatbestandsmerkmal der "besonders umfangreichen Beweisaufnahme", dass drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen für sich allein nicht ausreichen, um einen besonderen Umfang anzunehmen.

 

Rz. 9

 

Beispiel: In einem Verfahren kommt es zu drei Beweisterminen, in denen jeweils ein Zeuge für jeweils zehn Minuten vernommen wird.

Von einem besonderen Umfang der Beweisaufnahme kann nicht ausgegangen werden. Eine Zusatzgebühr entsteht nicht.

 

Rz. 10

Andererseits fordert der Wortlaut nicht, dass sich der besondere Umfang gerade aus der Vernehmung von Sachverständigen oder Zeugen ergeben muss. Es genügt, dass die Beweisaufnahme insgesamt besonders umfangreich war.

 

Rz. 11

 

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel. Vor der Vernehmung der Zeugen war es zu zahlreichen und umfangreichen Sachverständigenterminen und mehreren Gutachten gekommen.

Jetzt kann ein besonderer Umfang vorliegen, sodass durch die drei Zeugenvernehmungstermine die Zusatzgebühr ausgelöst wird.

III. Mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen

1. Überblick

 

Rz. 12

Zum besonderen Umfang hinzukommen muss, dass mindestens drei gerichtliche Termine zur Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen stattgefunden haben.

 

Rz. 13

Die Termine müssen in derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 stattgefunden haben, also im selben Rechtszug (siehe § 17 Nr. 1).

 

Rz. 14

Zu beachten ist, dass das selbstständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren oder ein Verfahren vor und nach Zurückverweisung jeweils gesonderte Angelegenheiten darstellen, sodass jeweils gesondert gezählt werden muss. Die Anrechnung der Verfahrensgebühr in diesen Fällen (VV Vorb. 3 Abs. 5) ist unerheblich, zumal die Terminsgebühren jeweils gesondert anfallen.

2. Zeugenvernehmungstermine

 

Rz. 15

Termine zur Vernehmung eines Zeugen müssen solche nach den §§ 394 ff. ZPO oder nach vergleichbaren Vorschriften anderer Verfahrensordnungen sein. Schriftliche Zeugenaussagen nach § 377 Abs. 3 ZPO zählen nicht hierzu. Unerheblich ist, ob der Zeuge vor dem erkennenden Gericht, dem beauftragten oder ersuchten Richter vernommen worden ist.

 

Rz. 16

Erforderlich ist eine Vernehmung des Zeugen. Dazu reicht bereits die Vernehmung zur Person, auch wenn er sich zur Sache auf ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht beruft.

 

Rz. 17

Dagegen reicht es nicht aus, wenn der geladene Zeuge erschienen ist, es aber nicht mehr zur Vernehmung kommt, etwa weil sich die Parteien doch noch zuvor einigen, die Beweisfrage unstreitig wird, der Beweisführer auf den Zeugen verzichtet oder der Zeuge ohnehin nur vorbereitend geladen war und letztlich doch nicht benötigt wird. Siehe zur vergleichbaren Lage beim Sachverständigen Rdn 23.

 

Rz. 18

Wird derselbe Zeuge in mehreren Terminen vernommen, so zählen diese gesondert.

 

Rz. 19

Andererseits ist es unerheblich, wie viele Zeugen vernommen werden.

 

Rz. 20

Werden Zeugen und Sachverständige in einem Termin vernommen, zählt dies nur als ein Termin.

3. Termine zur Vernehmung eines Sachverständigen

 

Rz. 21

Termine zur Vernehmung eines Sachverständigen müssen solche nach § 411 Abs. 3 ZPO oder nach vergleichbaren Vorschriften anderer Verfahrensordnungen sein.

 

Rz. 22

Schriftliche Gutachten zählen nicht hierzu, ebenso wenig Termine, die von einem gerichtlichen Sachverständigen anberaumt worden sind,[3] da es sich insoweit nicht um gerichtliche Termine handelt. Das ergibt sich eindeutig aus der Unterscheidung in VV Vorb. 3 Abs. 3 S. 1 u. S. 3 Nr. 1. Abgesehen davon wird der Sachverständige nicht vernommen, wenn er selbst einen Termin abhält. Die gegenteilige Auffassung[4] ist daher mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren.

 

Rz. 23

Kommt es nicht mehr zur Vernehmung des geladenen Sachverständigen, reicht dies nicht aus, selbst wenn der Sachverständige erschienen ist, also wenn z.B. vor seiner beabsichtigten Vernehmung ein Vergleich geschlossen wird, der seine Vernehmung entbehrlich macht.[5]

 

Rz. 24

Wird derselbe Sachverständige in mehreren Terminen vernommen, so zählen diese Termine gesondert.

 

Rz. 25

Werden Zeuge und Sachverständiger in einem Termin vernommen, zählt dies dagegen nur als ein Termin.

[4] LG Ravensburg 15.4.2015 – 6 O 346/13, AGS 2016, 393 m. abl. Anm. N. Schneider = RVGreport 2015, 340.

IV. Terminsteilnahme nicht erforderlich

 

Rz. 26

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der VV 1010 ist die T...

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