Rz. 60

Der Anwalt ist berechtigt, die ihm zustehenden Hebegebühren unmittelbar bei Weiterleitung der Fremdgelder an den Auftraggeber zu entnehmen (Abs. 2 S. 2). Es handelt sich bei dieser Vorschrift um ein spezielles Vorschussrecht, denn auch die Hebegebühr wird gemäß § 8 S. 1 erst mit Beendigung des Auftrags fällig, also mit Ablieferung des Geldes. Das Entnahmerecht entbindet den Anwalt daher auch nicht davon, die Hebegebühr nachträglich gemäß § 10 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 ordnungsgemäß abzurechnen.

 

Rz. 61

Die Höhe der zu entnehmenden Gebühr berechnet sich – entgegen dem Wortlaut – nicht nach dem ausgezahlten Betrag, sondern nach dem ohne Entnahme auszuzahlenden Betrag, auch wenn dieser infolge der Entnahme nicht mehr in voller Höhe ausgezahlt wird.

 

Beispiel: Der Anwalt muss einen Betrag in Höhe von 2.000 EUR an den Mandanten auszahlen. Er kann hierfür berechnen:

 
1.

Hebegebühr, VV 1009

(Wert: 2.000 EUR)
  20,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   4,00 EUR
  Zwischensumme 24,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   4,56 EUR
Gesamt   28,56 EUR

Diesen Betrag kann der Anwalt einbehalten und muss lediglich 1.971,44 EUR auszahlen.

 

Rz. 62

Zur Entnahme seiner weiteren Vergütung ist der Anwalt nicht berechtigt. Hier bleibt ihm nur die Möglichkeit aufzurechnen (§§ 387 ff. BGB). Allerdings sind einer solchen Aufrechnung enge rechtliche und berufsrechtliche Grenzen gesetzt.[55]

 

Rz. 63

Soweit der Anwalt Gelder an Dritte weiterleitet, ist er zur Entnahme seiner Hebegebühren ebenfalls nicht berechtigt, da anderenfalls der Auftrag nicht vollständig ausgeführt würde.[56] Hier kann ihm – ebenso wie bei der Ab- und Rücklieferung von Wertpapieren und Kostbarkeiten – allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht (§ 320 BGB) zustehen.[57] Nach Treu und Glauben dürfte in aller Regel ein solches Zurückbehaltungsrecht jedoch ausgeschlossen sein, da dies den Auftrag gefährden würde, insbesondere wenn die Gelder, Wertpapiere oder Kostbarkeiten innerhalb einer bestimmten Frist abgeliefert sein müssen.[58]

[55] OLG Düsseldorf OLGR 1998, 435.
[56] EGH 15, 206; EGH 18, 209; Schumann/Geißinger, Rn 7.
[57] Göttlich/Mümmler/Feller, "Hebegebühr" 5.
[58] Gerold/Schmidt/Mayer, VV 1009 Rn 18.

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