Rz. 20

Die Erledigungsgebühr hat eine Doppelnatur. Einerseits ist sie eine Erfolgsgebühr, d.h. ohne den Eintritt der Erledigung erwächst sie nicht. Andererseits ist sie aber auch eine Tätigkeitsgebühr. Der Anwalt erhält sie nur, wenn er an dem eingetretenen Erfolg – Erledigung – mindestens mitursächlich "mitgewirkt" hat, die Tätigkeit also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre. Dies entspricht insoweit allgemeiner Meinung.[34] Nicht notwendig ist, dass er sie allein oder überwiegend herbeigeführt hat.

 

Rz. 21

Das eigentliche Problem liegt aber darin, dass eine derartige (Mit-)Ursächlichkeit sich schon aus dem Betreiben des Geschäfts als solchem ergeben könnte, der Anwalt dafür aber bereits eine andere Gebühr (Verfahrens-/Geschäftsgebühr) erhält. Aus der Formulierung der Norm "... durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt ..." ergibt sich jedoch, dass das bloße mitursächliche Tätigwerden des Anwalts in dem erledigten Verfahren als solches nicht ausreicht, er die Gebühr vielmehr nur dann erhalten soll, wenn er eine besondere, nicht nur unwesentliche[35] und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit entfaltet hat, z.B. durch Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, Einwirken auf den Kläger durch zusätzliche Beratungsleistungen auf eine nicht unwesentliche[36] Einschränkung des Klagebegehrens, Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags. Ansonsten hätte statt des Wortes "Mitwirkung" der Begriff "Tätigkeit" nahe gelegen und ausgereicht, zumal der Gesetzgeber bei Erlass des RVG die entsprechende Rechtsprechung zu § 24 BRAGO kannte.

Diese im Ergebnis von der h.M.[37] vertretene Auslegung entspricht auch dem Regelungsgehalt der Einigungsgebühr gemäß VV 1000, die ebenfalls eine "Mitwirkung", also eine weiter gehende Tätigkeit des Anwalts, gerichtet auf die materiell-rechtliche Erledigung des Rechtsstreits, voraussetzt. Es genügt daher nicht, dass die Sache sich bereits materiell-rechtlich erledigt hatte und sich die Mitwirkung des Anwalts auf die formale Beendigung beschränkt.[38] Die Schwierigkeit liegt nun darin, festzustellen, wann eine nicht unwesentliche weiter gehende Tätigkeit vorliegt. Das kann jeweils nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden, doch lassen sich anhand der entschiedenen Fälle dafür Anhaltspunkte gewinnen.

 

Rz. 22

Liegt eine entsprechende Tätigkeit des Rechtsanwalts vor, ist es unschädlich, wenn das erledigende Ereignis bereits vor seiner Tätigkeit eingetreten war.[39]

 

Rz. 23

Eine Erledigungserklärung muss nicht zwingend durch den Anwalt persönlich abgegeben werden; es genügt, wenn dies durch einen damit von ihm im Einzelnen beauftragten Dritten geschieht, der auch der Auftraggeber selbst sein kann.[40]

 

Rz. 24

Eine ausreichende Mitwirkung wurde u.a. in folgenden Fällen bejaht:

Schriftliche oder mündliche Verhandlungen – auch außergerichtlich bzw. während des Ruhens des Verfahrens[41] – mit einem in dem konkreten Fall entscheidungsbefugten Vertreter[42] der Verwaltungsbehörde oder deren Aufsichtsbehörde mit dem Ziel des Einlenkens.[43]
Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde an den Behördenleiter, aufgrund dessen es zur Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses kommt.[44]
Einlenken des Beklagten aufgrund der Tätigkeit des Anwalts unter Aufrechterhaltung des bisherigen Rechtsstandpunktes.[45]
Einwirkung auf den Mandanten, sich mit einem Teilerfolg bzw. der vorgeschlagenen Erledigungserklärung zufrieden zu geben.[46]
Mitwirkung an einer tatsächlichen Verständigung im Verhandlungs-/Erörterungstermin[47] bzw. in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang damit.[48]
Prüfung eines Gerichtsbescheides und Beratung des Mandanten, keinen Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen.[49]
Intensive Kontakte des Anwalts mit dem Antragsgegner darüber, wie der Rechtsstreit zu beenden sei, und Umgestaltung der vorgeschlagenen Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung.[50]
Erstmalige Ermittlung der Haftungsquote in einer USt-Haftungssache, selbst wenn dies in der Klagebegründung geschieht, weil die Feststellungslast hinsichtlich der Haftungsquote beim Finanzamt liegt.[51]
Erteilung eines schriftlichen Hinweises durch den Anwalt, wonach der Auftraggeber entgegen der Auffassung der Behörde nicht klaglos gestellt sei.[52]
Der Anwalt veranlasst eine Untersuchung seines Mandanten, aufgrund deren Ergebnisses die Behörde den Bescheid erlässt bzw. aufhebt.[53]
Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung durch den Anwalt auf Verlangen der Behörde.[54]
Gespräch des Anwalts in einer Sitzungspause mit Mandanten und Gegner, das zu beiderseitigem Nachgeben führt.[55]
Konsequentes und überdurchschnittliches Bemühen des Anwalts in Form von Beibringung aktueller medizinischer Berichte, Aufspüren von Spezialisten und Beantragung eines zweiten Gutachtens eines für den konkreten Fall sehr geeigneten Spezialisten, das die Wende brachte.[56]
Eigene Recherchen des Anwalts (u.a. Befragung d...

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