Rz. 70

Durch den Vertrag muss der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt worden sein. An dieser Voraussetzung hat sich durch das 2. KostRMoG nichts geändert. Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis liegt dabei auch vor, wenn die Verwirklichung des Anspruchs unsicher ist (analog § 779 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 71

Zunächst einmal ist also Voraussetzung, dass zwischen den Parteien Streit bestand, dass sie also hinsichtlich des bestehenden Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Folgen verschiedener Ansicht waren. Auch hier sind keine hohen Anforderungen an die Voraussetzungen eines "Streits" zu stellen. Insoweit genügt es, wenn die Parteien unterschiedliche Standpunkte zur Sach- oder Rechtslage behauptet haben.[44] Ausreichend ist insoweit bereits die Ungewissheit. Die Parteien müssen also von ihren Rechtsstandpunkten nicht überzeugt sein. Es genügt, dass aus Sicht der Parteien keine Klarheit besteht, mag die Rechtslage für einen Dritten auch völlig klar sein.[45]

 

Rz. 72

Der Streit muss bei beiden Parteien vorliegen. Es reicht also nicht aus, wenn für eine Partei die Sache klar ist und die Ungewissheit lediglich bei der anderen Partei besteht.

 

Rz. 73

Im Falle des § 779 Abs. 2 BGB reicht ausnahmsweise eine einseitige Ungewissheit, nämlich dann, wenn für den Gläubiger ungewiss ist, ob er seine Forderung wird realisieren können.[46]

 

Rz. 74

Soweit ein Streit oder eine Ungewissheit nur hinsichtlich eines Teils besteht, kommt auch nur insoweit eine Einigung in Betracht.[47]

 

Beispiel 1: Die Parteien streiten darüber, ob die Kündigung eines Mietverhältnisses zum 31.8. oder zum 30.9. wirksam geworden ist.

Der Streit besteht nicht über die Kündigung insgesamt, sondern nur über den Zeitpunkt, so dass der Gegenstandswert hier nicht der volle Jahresmietwert ist, sondern lediglich der Monatsmietwert.

 

Beispiel 2: Nach einem Verkehrsunfallprozess erkennt der gegnerische Haftpflichtversicherer die Schadenspositionen weitgehend an. Er bestreitet lediglich die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldes.

Eine Einigung kommt hier nur in Höhe der Schmerzensgeldforderung in Betracht, da im Übrigen weder Streit noch Ungewissheit bestehen.

 

Rz. 75

Durch die Einigung muss der Streit oder die Ungewissheit beseitigt worden sein. Hier werden sich in aller Regel keine Probleme ergeben. Problematisch sind lediglich zwei Fallgruppen:

Sofern die Parteien lediglich eine Zwischeneinigung schließen, kann fraglich sein, ob damit der Streit beigelegt ist. Hier wird es auf den Einzelfall ankommen. Wegen des Zusammenhangs wird auch hier auf die Darstellung der Einzelfälle verwiesen (siehe "Zwischeneinigung", Rdn 120).
Darüber hinaus ist in der Zwangsvollstreckung häufig schwierig zu beurteilen, ob ein Streit oder eine Ungewissheit beseitigt worden ist. Auch insoweit wird auf die Darstellung der Einzelfälle verwiesen (siehe "Zwangsvollstreckung", Rdn 113 ff.).
[44] Hansens, BRAGO, § 23 Rn 6.
[45] BGH 24.3.1976 – IV ZR 222/74, BGHZ 66, 250; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 1000 Rn 106; Hansens, BRAGO, § 23 Rn 6.
[46] A.A. offenbar OLG Hamm AGS 2005, 326 m. abl. Anm. Madert = RVGreport 2005, 224 = JurBüro 2005, 588.
[47] Hansens, BRAGO, § 23 Rn 6.

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