Rz. 12

VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 1 enthält den Grundsatz, dass jeder Einzelauftrag nach VV 4300 ff. grundsätzlich auch eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 darstellt (Ausnahme: Anm. zu VV 4300; Anm. zu VV 4301) (siehe Rdn 15 ff.). Hieraus wiederum folgt, dass der Anwalt nicht nur mehrere Gebühren nach VV 4300, 4301, 4302 erhalten kann, sondern auch mehrere Gebühren nach derselben Vorschrift oder sogar derselben Nummer einer Vorschrift.

 

Beispiel: Der Anwalt wird damit beauftragt, Berufung einzureichen. Später erhält er den Auftrag, ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Berufungskammer zu fertigen.

Für die Einlegung des Rechtsmittels erhält der Anwalt die Gebühr nach VV 4302 Nr. 1. Für das Ablehnungsgesuch erhält er eine weitere Gebühr nach VV 4302 Nr. 2.

 

Rz. 13

Ob mehrere Aufträge vorliegen oder nur ein Auftrag, ist stets im Einzelfall zu prüfen. So können trotz eines einheitlichen Auftrags mehrere Angelegenheiten vorliegen. Umgekehrt kann trotz mehrerer Aufträge insgesamt nur eine Angelegenheit gegeben sein.

 

Beispiel 1: Der Anwalt wird beauftragt, vor dem ersuchten Richter des auswärtigen Gerichts an einer Zeugenvernehmung teilzunehmen. Später ergibt sich im Verlaufe des Verfahrens, dass der Zeuge ergänzend befragt werden muss. Der Anwalt erhält den Auftrag, auch an diesem zweiten Termin teilzunehmen.

Der Anwalt hat hier zwar mehrere Aufträge erhalten. Da der Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit und der innere Zusammenhang jedoch der gleiche ist, liegt hier nur eine Angelegenheit nach VV 4301 Nr. 4 vor. Es ist ein Fall des § 15 Abs. 5 gegeben. Der Anwalt erhält die Vergütung insgesamt nur einmal, es sei denn, zwischen beiden Terminen liegen mehr als zwei Kalenderjahre (§ 15 Abs. 5 S. 2) oder die Termine finden in verschiedenen Instanzen statt, wozu auch der Fall des § 21 Abs. 1 zählt.

 

Beispiel 2:[3] Der Geschädigte beauftragt einen Rechtsanwalt, gegen einen in München wohnenden Dieb und gegen einen in Hamburg wohnenden Betrüger Anzeige zu erstatten.

Ungeachtet des einheitlichen Auftrags liegen zwei Angelegenheiten nach VV 4302 Nr. 2 vor, da weder ein einheitlicher Rahmen noch ein innerer Zusammenhang bestehen. Etwas anderes würde gelten, wenn es sich bei den beiden Anzuzeigenden um Mittäter derselben Straftat handeln würde; in diesem Falle würde nur eine einzige Gebühr entstehen.[4]

 

Rz. 14

Strittig ist die Einordnung, wenn der Anwalt in zeitlichem Abstand mehrere Aufträge für verschiedene Strafanzeigen oder Strafanträge gegen mehrere Mittäter erhält.

 

Beispiel:[5] Der Anwalt erhält zunächst den Auftrag, gegen den namentlich bereits bekannten Täter Strafanzeige zu erstatten. Nachdem der weitere Mittäter später ermittelt worden ist, erhält er einen weiteren Auftrag, auch gegen diesen Mittäter Strafanzeige zu erstatten.

Nach Madert[6] liegen hier zwei verschiedene Angelegenheiten vor. Zutreffend dürfte es jedoch mit Hansens[7] sein, hier nur eine Angelegenheit anzunehmen, da ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang bestehen, zumal nach § 264 StPO beide Mittäter gemeinsam angeklagt werden müssen. Die Mehrarbeit, die dadurch entsteht, dass zwei Strafanzeigen gefertigt werden, ist nach § 14 Abs. 1 erhöhend zu berücksichtigen.

[3] Nach Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., VV 4300–4305 Rn 78.
[4] Hansens, BRAGO, § 92 Rn 3; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl. VV 4300–4305 Rn 78.
[5] Nach Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., VV 4300–4305 Rn 78; Hansens, BRAGO, § 92 Rn 3.
[6] Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl. VV 4300–4305 Rn 78.
[7] Hansens, BRAGO, § 92 Rn 3.

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