Rz. 28

Die Verfahrensgebühr gemäß VV 3100 kann entsprechend den vorstehenden Ausführungen auch schon vor Rechtshängigkeit, d.h. vor Zustellung der Klage, entstehen, wenn dem Anwalt Prozessauftrag erteilt wird und er in Wahrnehmung dieses Auftrags eine Tätigkeit (z.B. Informationsbeschaffung) durchführt. Kommt es in der Folgezeit nicht mehr zur Rechtshängigkeit der Klage, dann ist hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr zu prüfen, inwiefern die Voraussetzungen von VV 3101 vorliegen und die Gebühr ggf. nur in reduzierter Höhe von 0,8 anfällt.[31]

 

Rz. 29

Auf Klägerseite fällt die Verfahrensgebühr mit der Bestellung zum Prozessbevollmächtigten an, also mit der Erteilung des Auftrags zur Klageerhebung bzw. zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. Voraussetzung für das Entstehen der Verfahrensgebühr auf Beklagtenseite ist grundsätzlich die Zustellung der Klage- bzw. Antragsschrift, da zuvor ein Prozessrechtsverhältnis noch nicht begründet worden ist. Allerdings ist es auch denkbar, dass der Beklagte dem Gegner schon vor Klageerhebung mitteilt, dass die Zustellung der Klage an einen bestimmten Rechtsanwalt erfolgen kann. Bei dieser Konstellation hätte der Rechtsanwalt schon einen wirksamen Auftrag zur Vertretung als Prozessbevollmächtigter des künftigen Beklagten erhalten.[32] Dieser Auftrag würde eine Verfahrensgebühr entstehen lassen. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1.7.2010[33] einen Verfahrensauftrag der Anwälte des (künftigen) Beklagten zur (künftigen) gerichtlichen Abwehr von Ansprüchen, die bisher nur außergerichtlich geltend gemacht worden waren, schlicht "aus den Gesamtumständen" abgeleitet, was jedenfalls zu weitgehend sein dürfte.

 

Rz. 30

Ob die entsprechende Verfahrensgebühr vom Gegner erstattet verlangt werden kann, hängt davon ab, ob die entsprechenden Anwaltskosten i.S.v. § 91 ZPO notwendig waren bzw. aus materiell-rechtlichen Gründen ersetzt verlangt werden können. Die beklagte Aktiengesellschaft, die in Erwartung von Anfechtungsklagen einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und dadurch vor der Verbindung in jedem Klageverfahren eine Verfahrensgebühr nach VV 3101 auslöst, handelt nicht rechtsmissbräuchlich.[34]

[31] Vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 420 und OLG Hamburg JurBüro 1970, 958 zur Entstehung der reduzierten Gebühr durch Entgegennahme der Information und Korrespondenz mit dem Mandanten als Vorbereitung der Rechtsverteidigung.
[32] So auch: Henke, AnwBl 06, 347; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3100 Rn 22 ff.; Hartung/Römermann/Schons, RVG, VV Vorb. 3 Rn 36.

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