a) Freiwillige Verpflichtung zur Zahlung des Haftungsanteils

 

Rz. 89

Einem Erstattungsverlangen auf der Grundlage des Haftungsanteils nach Abs. 2 wird im Einzelfall entgegen gehalten, dass eine Kostenbelastung des erstattungsberechtigten Streitgenossen in dieser Höhe grundsätzlich nicht notwendig sei (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Soweit er sich im Innenverhältnis dazu verpflichte, dem Anwalt mehr als seine wertanteilige Beteiligung zu zahlen, sei das freiwillig und für den Gegner unverbindlich.[107] Dieser Argumentation liegt letztlich der Gedanke zugrunde, dass die Streitgenossen im Interesse des Gegners daran gehindert sein sollen, von einer im Außenverhältnis gesetzlich möglichen Regelung Gebrauch zu machen. Sie sollen ihre eigenen Vermögensinteressen hinter dasjenige des Gegners zurückstellen und sich auf eine vorgegebene Kostenverteilung beschränken.

 

Rz. 90

Das lässt sich jedoch weder mit dem Gebot zur sparsamen Prozessführung noch bereicherungsrechtlich noch mit allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben begründen. Keine Partei muss sich zugunsten des Gegners dafür einzusetzen, dass ihre anwaltliche Vertretung weniger als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen kostet (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Wenn sie diese als Haftungsanteil nach Abs. 2 aufzubringen hat und zur Erstattung anmeldet, liegt darin keine "Bereicherung einer Partei auf Kosten des Gegners".[108] Dem Gegner wird lediglich die Möglichkeit genommen, von dem Kostenvorteil einer Mehrfachvertretung zu profitieren, die er weder veranlasst hat noch in seinem Interesse verlangen kann. Das belastet ihn auch nicht unbillig, weil die dadurch bedingten Ersparnisse in erster Linie den Streitgenossen selbst zugutekommen sollen. Mit einer Inanspruchnahme in Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Anwalts der obsiegenden Gegenpartei muss er stets rechnen. Ein etwaiges Vertrauen darauf, dass diese Kosten geringer ausfallen könnten, nur weil dessen Streitgenosse erfolglos bleibt, wäre nicht schutzwürdig.

[108] So aber BGH 30.4.2003 – VIII ZB 100/02, NJW-RR 2003, 1217; Baumbach u.a., ZPO, § 100 Rn 7 m.w.N.

b) Keine dauerhafte Vermögensbelastung

 

Rz. 91

Eine Berechnung des Erstattungsanspruchs auf der Grundlage des Haftungsanteils nach Abs. 2 wird zudem mit dem Argument abgelehnt, dass unter Kosten i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO "zwanglos" nur eine dauerhafte Vermögensbelastung zu verstehen sei; da der obsiegende Streitgenosse seinen vollen Haftungsanteil im Regelfall letztendlich nicht zu tragen brauche, müsse die nach der Ausgleichung im Innenverhältnis verbleibende Belastung als Berechnungsgrundlage dienen.[109] Dieser Argumentation ist jedoch schon im Ansatz zu begegnen. Würde allein auf den Gesichtspunkt einer dauerhaften Vermögensbelastung abgestellt, stünde etwa einer obsiegenden Partei mit Rechtsschutzversicherung keinerlei Erstattungsanspruch zu. Entscheidend ist nicht, ob sich der erstattungsberechtigte Streitgenosse noch anderweitig erholen kann, sondern ob die Zahlung eines Dritten dem Gegner zugutekommen, nämlich seine Erstattungspflicht verkürzen soll. Davon kann bei einem Ausgleich im Verhältnis der Streitgenossen zueinander nicht ausgegangen werden. Sie beruht auf der gemeinsamen Übernahme des Verfahrenskostenrisikos. Die Zweckrichtung ist vergleichbar einer externen Risikoübernahme,[110] wo der Partei für den Fall, dass sie unterliegt, Kostenfreistellung zugesagt wird. Ausgleichszahlungen von Streitgenossen sollen nicht die Erstattungspflicht des Gegners verkürzen, sondern allein das Restkostenrisiko des Erstattungsberechtigten abdecken.[111]

[110] Z.B. auch durch Kostendeckungszusage eines Verbandes in einem Grundsatzverfahren.
[111] Zur Kritik der Rspr. des BGH siehe auch OLG Hamm AGS 2005, 34 = JurBüro 2005, 91.

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