Rz. 98

Nach § 55 Abs. 5 ist der Anwalt verpflichtet, Vorschüsse und Zahlungen gegenüber der Staatskasse anzuzeigen. Der Anwalt ist daher nicht nur verpflichtet, bei Anbringung seines Festsetzungsantrages anzugeben, welche Zahlungen und Vorschüsse er bislang erhalten hat; ihn trifft vielmehr auch die Pflicht, nachträgliche Zahlungen noch anzugeben, da anderenfalls die Staatskasse ihren Rückforderungsanspruch nicht geltend machen könnte. Die Erklärung bedarf keiner besonderen Form; der Anwalt ist auch nicht verpflichtet, die nach § 55 Abs. 5 S. 2 erforderliche Erklärung über (nicht) erhaltene Vorschüsse im Original einzureichen.[85]

 

Rz. 99

Umstritten war nach der Fassung des § 101 Abs. 3 BRAGO, ob der Anwalt nur solche Zahlungen angeben musste, die sich im Ergebnis auch auf die Höhe der festzusetzenden Kosten oder auf einen eventuellen Rückzahlungsanspruch auswirken, oder ob er alle Zahlungen angeben musste. Grund für diese Streitfrage war die Fassung des § 101 Abs. 3 BRAGO, wonach die Anzeigepflicht nur bestand, wenn die Zahlungen für die Anrechnung oder die Pflicht zur Rückzahlung von Bedeutung war. Madert war daher der Auffassung, dass nur solche Zahlungen und Vorschüsse angegeben werden müssten, die sich im Ergebnis auch auf die Festsetzung oder die Rückzahlung auswirken.[86] Diese Auffassung war seinerzeit jedoch schon unzutreffend und lässt sich anhand des klaren Wortlauts des § 55 Abs. 5, 2. Hs. nicht mehr aufrechterhalten. Nach dem eindeutigen Wortlaut sind alle Vorschüsse und Zahlungen anzugeben und nicht nur solche, die die Zahlungspflicht der Staatskasse reduzieren. Dies muss deshalb schon so sein, weil sie mit eventuellen weiteren Zahlungen zu einer Anrechnung führen können, auch wenn sie für sich genommen ohne Bedeutung sind.

 

Beispiel: Die Pflichtverteidigervergütung beträgt 563 EUR. Der Beschuldigte hat 400 EUR Vorschuss gezahlt; weitere 250 EUR werden nachträglich von dessen Ehefrau gezahlt.

Für sich genommen führt keine Zahlung zu einer Anrechnung. Insgesamt ergibt sich jedoch eine Anrechnung von 87 EUR, die letztlich auf der Zahlung der Ehefrau beruht. Ohne die Angabe des an sich nicht anzurechnenden Vorschusses des Beschuldigten wäre eine Berechnung dieser Anrechnung aber gar nicht möglich.

 

Rz. 100

Dass die Anzeigepflicht umfassend sein und sämtliche Zahlungen und Vorschüsse beinhalten muss, ergibt sich daraus, dass es nicht Sache des Anwalts ist, die Anrechnung vorzunehmen und durchzurechnen. Es ist vielmehr Aufgabe des für die Festsetzung zuständigen Urkundsbeamten zu prüfen, ob und inwieweit eine Anrechnung vorzunehmen ist.[87] Dies kann er aber nur dann, wenn ihm auch sämtliche Zahlungen und Vorschüsse offenbart werden. Daher müssen alle Zahlungen und Vorschüsse angegeben werden.[88] Der Anwalt ist im Übrigen auch berufsrechtlich verpflichtet, alle Zahlungen und Vorschüsse anzugeben.[89]

 

Rz. 101

Lediglich solche Zahlungen, die auf andere Gebühren geleistet worden sind, wie etwa Vorschüsse auf ein Gnadenverfahren, oder für eine andere Instanz oder für nicht erstattungsfähige Auslagen, braucht der Anwalt nicht anzugeben, da sie in jedem Falle ohne Bedeutung sind (zu weiteren Einzelheiten zur Anzeigepflicht gem. § 55 Abs. 5 vgl. auch § 55 Rdn 57 ff.).

[85] KG AGS 2014, 405 = RVGreport 2014, 391 = JurBüro 2015, 25.
[86] Ebenso Hartmann/Toussaint, § 101 BRAGO Rn 14.
[87] OLG Hamburg JurBüro 1987, 551; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 1091.
[88] OLG Hamburg JurBüro 1987, 551; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 1091; AnwGH Baden-Württemberg NJW-RR 1998, 1374.
[89] EGH Schleswig AnwBl 1968, 198; AnwGH Baden-Württemberg NJW-RR 1998, 1374.

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