Rz. 232

Gem. § 198 Abs. 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Für die Frage der Entschädigung kommt es zunächst darauf an, ob das Festsetzungsverfahren gem. § 55 die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG genannten Voraussetzungen erfüllt, also als ein eigenständiges Gerichtsverfahren i.S.d. Regelung anzusehen ist.[416] § 198 GVG gilt nicht nur für Verfahren, die mit einer richterlichen Entscheidung oder einer Entscheidung des Rechtspflegers abgeschlossen werden. Vielmehr sind auch Verfahren erfasst, die mit einer Entscheidung des Urkundsbeamten enden.[417]

 

Rz. 233

Allerdings muss nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ein Gerichtsverfahren gegeben sein, das der formellen Rechtskraft fähig ist.[418] Es erscheint zweifelhaft, ob der Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten formell rechtskräftig werden kann,[419] da die Erinnerung gem. § 56 gegen den Beschluss unbefristet möglich ist und allenfalls der Verwirkung in entsprechender Anwendung des § 20 GKG unterliegt. Vor diesem Hintergrund dürfte das Verfahren gem. § 55 auch bei Annahme eines weiten Anwendungsbereichs[420] nicht von § 198 GVG erfasst sein. Bei dem Festsetzungsverfahren gem. § 55 handelt es sich um ein dem Urkundsbeamten übertragenes justizförmiges Verwaltungsverfahren,[421] in dem sich der beigeordnete oder bestellte Rechtsanwalt einerseits und die Staatskasse andererseits gegenüberstehen. Das Verfahren nach § 55 ist lediglich ein vereinfachtes Betragsfestsetzungsverfahren.[422]

 

Rz. 234

Die Frage, ob eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorliegt, ist nicht nur am Verhalten des Gerichts, sondern auch am Verhalten der Verfahrensbeteiligten zu messen.[423] So ist z B. bei einem unklaren Festsetzungsantrag, den erforderlichen, mangels eindeutiger Antworten des Klägers mehrfach notwendigen Rückfragen und dem acht Bände umfassenden Aktenumfang des Ausgangsverfahrens eine Gesamtverfahrensdauer von sieben Monaten noch als angemessen angesehen worden.[424] Andererseits kann eine unangemessene Dauer des Verfahrens vorliegen, wenn seit Eingang der Akten bei dem für die Festsetzung zuständigen Gericht mehr als acht Monate keinerlei verfahrensfördernde Maßnahmen stattgefunden haben.[425]

[416] Bejaht von: OLG Karlsruhe 16.10.2018 – 16 EK 10/18; für die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung; OLG München 21.4.2017 – 22 EK 2/16, für die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung; vgl. auch BSG 10.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R, bejaht für das sozialgerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren gem. 197 SGG vor dem Urkundsbeamten; OLG Hamm 10.8.2016 – I-11 EK 5/15, bejaht für das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO; OLG Zweibrücken AGS 2017, 192, bejaht für die Vergütungsfestsetzung gem. § 11 gegen den eigenen Mandanten.
[417] OLG Karlsruhe 16.10.2018 – 16 EK 10/18; BSG 10.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R, für die Kostenfestsetzung gem. § 197 SGG durch den Urkundsbeamten in der Sozialgerichtsbarkeit.
[418] BSG 10.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R.
[419] Siehe dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Einl. Rn 164 ff.
[420] BSG 10.7.2014 – B 10 ÜG 8/13 R.

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