Rz. 96

Eine strafrechtliche Verfolgung des Rechtsanwalts wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) sollte ebenfalls zu einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO führen.

 

Rz. 97

Eine Verwirklichung des Missbrauchstatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB) kommt durch die schlichte Unterlassung des Hinweises nach § 49b Abs. 5 BRAO schon mangels Tathandlung des Rechtsanwalts nicht in Betracht. Sie besteht im Missbrauch der Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis, d.h. darin, dass der Täter zwar wirksam, aber bestimmungswidrig über das fremde Vermögen verfügt bzw. dessen Inhaber verpflichtet.[65] Die erst durch den Mandatsvertrag als Rechtsverhältnis i.S.d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB eingeräumte Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des Mandanten hat der Anwalt in dem für die Unterlassung maßgeblichen Zeitpunkt (vor Übernahme des Auftrags) (siehe Rdn 71) indes nicht.

 

Rz. 98

Entsprechendes gilt für die Tathandlung des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB); auch hier entsteht die rechtsgeschäftliche und tatsächliche Zugriffsmöglichkeit des Anwalts auf das Vermögen des Mandanten erst mit dem Abschluss des Mandatsvertrages. Unabhängig davon ist das durch den Mandatsvertrag vermittelte Rechtsverhältnis nur dann ein Treueverhältnis nach § 266 StGB, wenn nach der konkreten Ausgestaltung des Mandats die Vermögensbetreuungspflicht des Anwalts in den Rang einer selbstständigen Geschäftsbesorgung erhoben wurde und daher als vertragliche Hauptpflicht anzusehen ist.[66] Diese spezifische Pflichtenstellung bedarf der tatrichterlichen Feststellung im Einzelfall; ein strafrechtlich relevantes Treueverhältnis zwischen Anwalt und Mandant kann daher nicht allgemein angenommen werden.

 

Rz. 99

Der Versuch der Untreue ist, wie sich aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in § 266 StGB ergibt, nicht strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB). Der Vorverlagerung der Hinweispflicht auf das Stadium der Vertragsverhandlungen kann daher auch nicht mit einer Versuchsstrafbarkeit begegnet werden.

[65] Schönke/Schröder/Perron, StGB, § 266 Rn 14 m.w.N.
[66] BGH 11.11.1982 – 4 StR 406/82, NJW 1983, 461.

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