Rz. 57

Das Vorgehen bei der Anrechnung kann in Übergangsfällen auch Einfluss auf die Umsatzsteuer haben. Die Problematik liegt hier darin, dass hinsichtlich der verschiedenen Angelegenheiten unterschiedliche Steuersätze gelten können. Die Versteuerung hängt dann davon ab, wo die Anrechnung berücksichtigt wird.

 

Rz. 58

Dies ist letztlich keine steuerrechtliche, sondern eine vergütungsrechtliche Frage, deren Lösung im § 15a Abs. 1 zu finden ist. Der Anwalt hat nämlich – wie bereits ausgeführt (Rdn 61 ff.) – ein Wahlrecht, wo er anrechnet. Er kann jede der aufeinander anzurechnenden Gebühren erheben. Er darf insgesamt lediglich nicht mehr als das um die Anrechnung verminderte Gesamtaufkommen abrechnen. Damit steht es dem Anwalt frei, in welcher Angelegenheit er die Anrechnung vornimmt. Dies kann dann auch zu unterschiedlichen Steuersätzen führen.

 

Beispiel: Der Anwalt war außergerichtlich wegen einer Forderung i.H.v. 8.000 EUR tätig und hatte nach einem Gegenstandswert von 8.000 EUR eine 1,5-Geschäftsgebühr (VV 2300) verdient. Im Mai 2020 wurde das gerichtliche Verfahren eingeleitet, das durch Urteil im Dezember 2020 endete.

Herkömmlicherweise wird die Geschäftsgebühr zunächst voll abgerechnet und dann hälftig gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 auf die nachfolgende Verfahrensgebühr der VV 3100 angerechnet. Dann wäre wie folgt zu rechnen (Gebührenbeträge i.d.F. vor dem 1.1.2021):

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   684,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 704,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   133,76 EUR
Gesamt   837,76 EUR

II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   592,80 EUR
2. gem. Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 8.000 EUR   – 342,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   547,20 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 818,00 EUR  
5. 16 % Umsatzsteuer, VV 7008   130,88 EUR
Gesamt   948,88 EUR
     
III. Gesamt (I. + II.)   1.786,64 EUR

Nun kann der Anwalt aber auf die Geschäftsgebühr auf die Geschäftsgebühr selbst hälftig anrechnen. Dann wäre wie folgt zu rechnen:

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   684,00 EUR
2. gem. Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 8.000,00 EUR   – 342,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 362,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   68,78 EUR
Gesamt   430,78 EUR

II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   592,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   547,20 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.160,00 EUR  
4. 16 % Umsatzsteuer, VV 7008   185,60 EUR
Gesamt   1.345,60 EUR
     
III. Gesamt (I. + II.)   1.776,38 EUR

Der Netto-Gesamtbetrag ist mit 1.512,00 EUR in beiden Fällen derselbe (704,00 + 818,00 EUR; 362,00 EUR +1.160,00 EUR). Der Mandant würde bei der zweiten Berechnungsmethode aber die Steuerdifferenz aus dem Anrechnungsbetrag (3 % aus 342,00 EUR =) 10,26 EUR sparen.

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