Rz. 53

Aus der Selbstständigkeit der beiden Gebühren folgt, dass der Anwalt an sich beide Gebühren auch gesondert ungekürzt in Rechnung stellen kann. Soweit die eine Gebühr gezahlt wird, erlischt damit die andere Gebühr in Höhe des Anrechnungsbetrages. Insoweit müsste dann die zweite Rechnung teilweise wieder storniert werden. Um diesen Buchhaltungsaufwand zu vermeiden, sollte der Anwalt sich von Vornherein überlegen, welche Gebühr er in voller Höhe geltend macht und wo er die Anrechnung berücksichtigt. Dies erspart es ihm, später Gutschriften erteilen oder Rechnungen stornieren zu müssen.

 

Rz. 54

Zweckmäßig wird es sein, – wie bisher – die zuerst entstandene Gebühr in voller Höhe abzurechnen und die Anrechnung dann bei der zeitlich nachfolgenden Gebühr zu berücksichtigen. Dies macht die Abrechnung übersichtlicher. Zudem kann der Anwalt die zuerst entstandene Gebühr, die früher fällig wird (§ 8 Abs. 1), auch früher abrechnen. Darüber hinaus steht bei Fälligkeit der ersten Gebühr häufig noch gar nicht fest, ob und inwieweit es zur Anrechnung kommen wird. Insoweit hat sich also an der früheren Rechtslage nicht viel geändert.

 

Beispiel: Der Anwalt war zunächst außergerichtlich tätig und hiernach im selbstständigen Beweisverfahren (Wert: 30.000 EUR). Es findet ein Sachverständigentermin statt, an dem er teilnimmt. Anschließend kommt es zum Hauptsacheverfahren, in dem nach mündlicher Verhandlung ein Urteil ergeht.

Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens hälftig anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 4). Die (volle, nicht die um die Anrechnung verminderte) Verfahrensgebühr ist wiederum auf die Verfahrensgebühr des Rechtsstreits anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 5).

I. Außergerichtliche Tätigkeit (Wert: 30.000 EUR)

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   1.241,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.261,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   239,69 EUR
Gesamt   1.501,19 EUR

II. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 30.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65 aus 30.000 EUR   – 620,75 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.786,75 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   339,48 EUR
Gesamt   2.126,23 EUR

III. Rechtsstreit (Wert: 30.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   1.241,50 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen, 1,3 aus 30.000 EUR   – 1.241,50 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   1.146,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.166,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   221,54 EUR
Gesamt   1.387,54 EUR
 

Rz. 55

Diese Art der chronologischen Abrechnung schafft Transparenz, abgesehen davon, dass in einer Angelegenheit häufig nie abzusehen ist, inwieweit die dort entstandene Gebühr später in einem nachfolgenden Verfahren anzurechnen sein wird, etwa, wenn sich die Gegenstandswerte verändern.

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