Rz. 258

Haben mehrere Auftraggeber den Anwalt wegen einer gemeinschaftlichen Forderung beauftragt, so steht dem Anwalt die Vergütung aus dem Wert insgesamt nur einmal zu, wobei sich die Verfahrensgebühr nach VV 1008 erhöht. Jeder Auftraggeber haftet gemäß § 7 Abs. 2 auf die vollen Gebühren (ausgenommen die Erhöhung nach VV 1008). Abzurechnen ist auf der Netto-Basis. Die Umsatzsteuer ist dann hinzuzurechnen. Das ist schon deshalb erforderlich, weil es ansonsten zu Rundungsdifferenzen kommen kann. Abgesehen davon kann die Steuerschuld unterschiedlich sein, etwa wenn einer von mehreren Auftraggebern im Nicht-EU-Ausland wohnt.

 

Beispiel: A und B haben eine gemeinschaftliche Forderung i.H.v. 1.000 EUR eingeklagt.

Die Gesamtvergütung des Anwalts berechnet sich wie folgt:

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008   140,80 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   105,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Gesamt (netto)   266,40 EUR

Die Einzelhaftung der jeweiligen Auftraggeber ergibt sich aus § 7 Abs. 2 S. 1 wie folgt:

Haftung des A (Wert 1.000 EUR):

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   114,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   105,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Gesamt (netto)   240,00 EUR
Haftung des B: ebenfalls   240,00 EUR

Um die gesamtschuldnerische Haftung zu berechnen, ist nunmehr wie folgt vorzugehen:

1. Die jeweiligen Einzelhaftungen nach § 7 Abs. 2 S. 1 sind zu addieren.
2. Hiervon ist die Gesamthaftung abzuziehen.
3. Der danach verbleibende Differenzbetrag ergibt dann denjenigen Betrag, für den beide Parteien als Gesamtschuldner haften.

Im Beispiel beläuft sich die gesamtschuldnerische Haftung somit auf:

 
Einzelhaftung des A: 240,00 EUR
Einzelhaftung des B: 240,00 EUR
Gesamtvergütung: – 266,40 EUR
Gesamtschuld 213,60 EUR
 

Rz. 259

Die alleinige Haftung der einzelnen Auftraggeber ergibt sich nunmehr daraus, dass man von der jeweiligen Einzelhaftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 den Gesamtschuldbetrag abzieht. Demnach haften die Auftraggeber allein, also nicht gesamtschuldnerisch, i.H.v.:

 

Alleinige Haftung des A:

 
Haftung nach § 7 Abs. 2 S. 1 240,00 EUR
Gesamtschuld – 213,60 EUR
Alleinige Haftung 26,40 EUR
Alleinige Haftung des B: ebenfalls 26,40 EUR

Insgesamt erhält der Anwalt somit:

 
gesamtschuldnerisch von A und B 213,60 EUR
von A allein 26,40 EUR
von B allein 26,40 EUR
Gesamt 266,40 EUR
 

Rz. 260

Hansens[240] und Engels[241] rechnen im Ergebnis ebenso, indem sie die Erhöhung nach VV 1008 von der Gesamtforderung so viele Male abziehen, wie Auftraggeber vorhanden sind. Diese Berechnungsmethode funktioniert aber nicht mehr bei unterschiedlichen Beteiligungen (siehe Rdn 263).

 

Rz. 261

Nach der Berechnung von Fraunholz[242] würde sich demgegenüber die Gesamtschuld nach dem Betrag richten, den der Anwalt gleichmäßig von jedem einzelnen Auftraggeber zu fordern hätte; danach bestünde eine Gesamtschuld in Höhe der Verfahrens- und der Terminsgebühr aus dem Wert von 1.000 EUR sowie der Postentgeltpauschale, insgesamt also:

 
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   114,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   105,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Gesamt (netto)   240,00 EUR

Diese Berechnung ist jedoch unzutreffend. Das zeigt sich schon an Folgendem: Die Zahlung eines Gesamtschuldners auf die Gesamtschuld wirkt auch zugunsten der anderen Gesamtschuldner (§ 422 Abs. 1 S. 1 BGB). Würde also A einen Betrag von 240 EUR netto zahlen, dann würde dieser Betrag nach der Auffassung von Fraunholz in voller Höhe auf die Gesamtschuld gezahlt. Damit würde aber auch B nach § 422 Abs. 1 S. 1 BGB frei und nichts mehr schulden. Der Anwalt erhielte dann insgesamt nur 240 EUR netto. Den ihm aber unstrittig zustehenden weiteren Betrag bis zur Gesamtvergütung i.H.v. 266,40 EUR netto könnte er von niemandem verlangen. Bei dem von Fraunholz errechneten Betrag handelt es sich daher nicht um die Gesamtschuld, sondern lediglich um die Höhe desjenigen Betrages, auf den jeder Auftraggeber haftet, also quasi der "kleinste gemeinsame Nenner". Diese Rechengröße ist aber rechtlich irrelevant.

[240] BRAGO, § 6 Rn 21.
[241] MDR 2001, 372 (377).
[242] Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, § 7 Rn 47 ff.; ebenso OLG Frankfurt NJW 1970, 2115; OLG Koblenz JurBüro 1988, 1662.

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