Rz. 166

Nach § 1836 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB wird die Betreuung nur dann entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers feststellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt. Wegen der Einzelheiten verweist § 1836 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 1908i Abs. 1 BGB auf § 1 VBVG.

 

Rz. 167

Die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 1 VBVG findet trotz ihres unglücklichen Wortlautes auch auf Betreuer Anwendung. Denn es wird auf § 1836 BGB verwiesen, der nach § 1908i BGB auch für die Betreuung gilt. Alle im VBVG enthaltenen und für den Vormund geltenden Vorschriften gelten damit auch für Betreuer, soweit nicht im dritten Abschnitt (§§ 4 ff. VBVG) ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist.[273] Nach § 1 Abs. 2 VBVG hat bei der Vormundschaft das Familiengericht und bei der Betreuung das Betreuungsgericht die Feststellung der Berufsmäßigkeit gem. § 1 Abs. 1 S. 1 VBVG zu treffen, wenn dem Betreuer in einem solchen Umfang Betreuungen übertragen sind, dass er sie nur im Rahmen seiner Berufsausübung führen kann, oder wenn zu erwarten ist, dass dem Betreuer in absehbarer Zeit Betreuungen in diesem Umfang übertragen sein werden. Beide Merkmale müssen angesichts des eindeutigen Wortlautes ("oder") nicht kumulativ vorliegen.

 

Rz. 168

§ 1 Abs. 1 S. 2 VBVG nennt insoweit zwei Regelbeispiele. Das zweite Regelbeispiel – Zeitaufwand von mindestens 20 Wochenstunden – gilt für Berufsbetreuer freilich nicht (§ 4 Abs. 3 S. 2 VBVG). Für sie indiziert daher allein die Führung von mindestens 11 Betreuungen die Berufsmäßigkeit (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VBVG). Ob die Betreuungen in unterschiedlichen Amtsgerichtsbezirken oder Gemeinden geführt werden, ist für die Zählung unerheblich. Die Verwendung der Regelbeispieltechnik in § 1 Abs. 1 VBVG macht deutlich, dass das Familiengericht/Betreuungsgericht bei der Feststellung der Berufsmäßigkeit in atypischen Fällen einen eigenen Beurteilungsspielraum hat. Einerseits kann es im Einzelfall von der Feststellung absehen, obgleich die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind; andererseits kann eine Feststellung der Berufsmäßigkeit auch dann in Betracht kommen, wenn die gesetzlichen Regelvoraussetzungen fehlen.[274]

 

Rz. 169

Die Feststellung, eine Betreuung werde berufsmäßig geführt, hat nach § 1 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. VBVG auch im Hinblick auf künftige Betreuungen zu erfolgen. Die gerichtliche Bestellung kann mithin bereits dann erfolgen, wenn der – z.B. noch ehrenamtlich tätige – Betreuer gegenwärtig noch keine ausreichende Zahl von Betreuungen vorweisen kann, aber bereits als Berufsbetreuer vorgesehen ist. Vor der ersten Bestellung soll das Familiengericht/Betreuungsgericht freilich die zuständige Betreuungsbehörde bezüglich der Eignung des ausgewählten Betreuers und zu der Absicht, ihm künftig Betreuungen im Umfang eines Berufsbetreuers zu übertragen, anhören (§ 1897 Abs. 7 S. 1 BGB).

 

Rz. 170

Als Erkenntnisquelle für die Beurteilung der Eignung dient der Betreuungsbehörde auch ein vom Betreuer vorzulegendes Führungszeugnis sowie eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis (§ 1897 Abs. 7 S. 2 BGB, § 882b ZPO). Ein gegen die Betreuungsbehörde gerichteter Anspruch des Betreuers, dem Familiengericht/Betreuungsgericht als geeignet vorgeschlagen zu werden, existiert indes nicht.[275] Das Recht und die Pflicht zur Mitwirkung der Betreuungsbehörde bei der Entscheidung über die Auswahl eines Berufsbetreuers (§ 1897 Abs. 7 BGB, § 8 BtBG) ergibt umgekehrt keine gesetzliche Grundlage für die Installation eines bestimmten Zulassungsverfahrens, welches zugleich das Auswahlermessen des Familiengerichts/Betreuungsgerichts reduzieren könnte.[276]

[273] Dies folgt bereits aus der systematischen Stellung des § 1 in Abschnitt 1 des VBVG ("Allgemeines"), vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 1 VBVG Rn 1; ebenso Palandt/Götz, § 1 VBVG Rn 1; Inzidenter BGH 2.3.2016 – XII ZB 196/13; BGH 26.11.2014 – XII ZB 542/13.
[274] Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2014, § 1 VBVG Rn 5 f. Siehe aus der Rspr. BayObLG BtPrax 1999, 30 (wenige Betreuungen, aber Bestellung des Betreuers gerade wegen seiner individuellen beruflichen Qualifikation); OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 62 (Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls).
[275] VG Frankfurt BtPrax 1997, 83.
[276] OLG Hamm NJW 2006, 3436 ("Bochumer Modell").

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