Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Betriebsgefahr bei deutlicher Richtgeschwindigkeitsüberschreitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch die deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen führt regelmäßig allein zu einer erhöhten Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeuges.

2. Zu den Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel zum Überholen auf Autobahnen.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17; RichtgeschwindigkeitsVO § 1; StVO § 5 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 06.12.2008; Aktenzeichen 2 O 202/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6.12.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Flensburg aufgehoben.

Die Klage wird hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zu 75 % für gerechtfertigt erklärt, hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruches wird sie unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsbeitrages des Klägers von 25 % für gerechtfertigt erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden zukünftigen materiellen Schaden aufgrund des Unfalles vom 12.9.2005 gegen 9.26 Uhr auf der BAB 7, Fahrtrichtung Norden, km 26,348 zu 75 %, zukünftigen immateriellen Schaden aufgrund dieses Unfalles unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteils von 25 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Hinsichtlich des weitergehenden Feststellungsbegehrens wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Zur Höhe wird der Rechtsstreit an das LG Flensburg zurückverwiesen.

Gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, sowie die Gerichtsgebühren der Berufungsinstanz werden nicht erhoben.

Im Übrigen hat das LG über die weiteren Kosten - auch der Berufungsinstanz - zu entscheiden.

 

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Der Kläger nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 12.9.2005 auf der A 7 Fahrtrichtung Norden zwischen S und T (Höhe B) auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens, zudem auf umfassende Feststellung in Anspruch.

Zum Unfallzeitpunkt befuhren die Beklagte zu 2) mit ihrem bei der Beklagten zu 1) gegen Haftpflichtschäden versicherten Pkw VW Golf, amtl. Kennzeichen ... sowie der Kläger mit seinem Pkw "Corvette", amtl. Kennzeichen ... die Bundesautobahn 7 in Fahrtrichtung Norden. Der Kläger fuhr dabei mit einer Geschwindigkeit von jedenfalls 180 km/h auf der linken Fahrspur und beabsichtigte - nachdem er einen Opel Meriva, in dem sich die Zeuginnen K befanden, überholt hatte - das vor ihm auf der rechten Spur fahrende Fahrzeug der Beklagten zu 2) sowie einen davor fahrenden Lkw zu überholen. Diesen etwa 200 m vor ihr fahrenden Lkw wollte auch die Beklagte zu 2) überholen, die zu diesem Zeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von allenfalls 120 km/h auf die linke Fahrspur wechselte. Die Entfernung der beiden Fahrzeuge zu diesem Zeitpunkt ist streitig, objektiv auch nicht feststellbar. Sie betrug etwa 80 bis 100 m. Die Einzelheiten des Weiteren Herganges sind streitig. Jedenfalls wechselte der Kläger nach dem Ausscheren der Beklagten zu 2) auf die rechte Fahrspur, auch die Beklagte zu 2) zog ihr Fahrzeug wiederum nach rechts herüber. Um nicht dort mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 2) zu kollidieren, bremste der Kläger, zog sein Fahrzeug wieder auf die Überholspur, geriet ins Schleudern und prallte mit seinem Wagen an die Mittelleitplanke. Die "Corvette" erlitt dabei einen Totalschaden, der Kläger selbst wurde erheblich verletzt (Fraktur Lkw 1, stabilisiert durch Fixateur interieur; Pneumothorax; Blutungsanämie; Schädelprellung; Einriss linke Ohrmuschel). Vom 12.9.2005 bis zum 6.10.2005 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung; er behauptet, auch heute noch unter den Unfallfolgen zu leiden, zudem sei ein Dauerschaden nicht ausgeschlossen. Ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR sei angemessen. Weiterhin war und ist der Kläger der Ansicht, die Beklagte zu 2) sei allein für den Unfall verantwortlich, da sie ohne Rücksicht auf sein hinten herannahendes Fahrzeug auf die Überholspur gewechselt sei. Durch den Unfall seien ihm auch erhebliche materielle Schäden entstanden; der Wiederbeschaffungswert der "Corvette" abzgl. des Restwertes belaufe sich auf 20.600 EUR, Sachverständigenkosten seien mit 609 EUR zu ersetzen, ein Nutzungsausfall (25 Tage à 91 EUR) mit 2.275 EUR. Weiterhin seien angefallen Abschlepp- und Standgebühr von insgesamt 4.103,38 EUR zu ersetzen sei eine Kostenpauschale mit 25 EUR. Bei dem Unfall seien zudem sein Handy im Wert von 200 EUR und eine Sonnenbrille im Wert von 110 EUR zerstört worden. Infolge des Unfalles sei ihm ein Verdienstausfallschaden i.H.v. 2.149,98 EUR entstanden. Zudem habe er termingebundene Arbeiten am Neubau seines Hauses nicht - wie geplant - selbst durchführen können, sondern habe diese an Fremdfirmen vergeben müs...

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