Verfahrensgang

LG Itzehoe (Aktenzeichen 6 O 82/18)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.08.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Berufungsurteil und das angefochtene Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, es sei denn, die Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.100,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die am 12.06.2014 einen gebrauchten VW Golf VII 2,0 TDI mit einem Dieselmotor des Typs EA 288 EU 5 und einem Kilometerstand von 24.539 zum Preis von 22.100,00 EUR erwarb, nimmt die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors auf Schadensersatz in Anspruch mit der Behauptung, der Motor weise mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen auf. Deshalb drohe ebenso wie bei dem als "Schummeldiesel" bekannt gewordenen Vorgänger EA 189 eine Stilllegung. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichtes wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Schadensersatzklage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB lägen nicht vor. Die Behauptung der Klägerin, im Motor sei die gleiche unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wie im EA 189, sei ohne Substanz und daher unbeachtlich. Es gebe für das Fahrzeug keinen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (künftig: KBA). Ob eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines "Thermofensters" vorliege, könne dahinstehen, da der erforderliche Schädigungsvorsatz nicht festgestellt werden könne. Bezüglich der Rechtfertigung durch den behaupteten Bauteilschutz könne eine vertretbare Gesetzesauslegung auf Seiten der Beklagten nicht ausgeschlossen werden. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder §§ 6 Abs. 1,27 Absatz 1 EG-FGV ergebe sich kein Schadensersatzanspruch, da auch diese Haftungsvorschriften Vorsatz im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung voraussetzten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor: Ihr erstinstanzlicher Sachvortrag zum Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Motor EA 288 sei hinreichend substantiiert. Sie habe greifbare Anhaltspunkte für den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen. Dem im 1. Rechtszug vorgelegten Schreiben der Beklagten an das Kraftfahrtbundesamt vom 29.12.2015 sei zu entnehmen, dass im Motor EA 288 dieselbe Abgasnachbehandlungstechnik verbaut sei wie im EA 189 und dass im Motorsteuerungsgerät auch die Fahrkurve mit Prüfstandserkennung hinterlegt sei, mit welcher im EA 189 die NOx-Emissionen optimiert worden seien. Da die Beklagte das als Grund für die sog. Umschaltstrategie im EA 189 angegebene Problem mit dem erhöhten Motorverschleiß auch für das Nachfolgeaggregat EA 288 nicht habe lösen können, sei die Umschaltstrategie auch im Nachfolgemotor implementiert worden. Hierfür spreche auch die von der Deutschen Umwelthilfe e.V. durchgeführte Abgasmessung an einem Audi A3 2,0 TDI mit einem baugleichen Motor des Typs EA 288 EU 5. Bei diesem Fahrzeug seien die Grenzwerte für die Erlangung der Typengenehmigung auf dem Prüfstand eingehalten worden; im Realbetrieb sei der Grenzwert für den NOx-Ausstoß jedoch um das 2,9-fache überschritten worden. Die Beklagte habe in einem Parallelverfahren vor dem OLG Frankfurt zum Az. 4 U 171/18 mit Schriftsatz vom 08.07.2020 eingeräumt, dass der Motor EA 288 EU6 insbesondere über eine Fahrkurven-Erkennung verfüge. Diese sei im Rahmen eines freiwilligen Software-Updates am 20.03.2020 entfernt worden. Im streitgegenständlichen Fahrzeug sei auch eine Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters verbaut worden. Diese bewirke, dass die Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich ab 20° C zu 100 % aktiv sei. In Deutschland liege aber die Durchschnittstemperatur in 9 von 12 Monaten unterhalb dieses Bereiches. Die Beklagte habe dieses Thermofenster in seiner konkreten Ausgestaltung im Rahmen der Typengenehmigung nicht gegenüber dem KBA offengelegt. Die Beklagte habe in Bezug auf die Abschalteinrichtungen vorsätzlich gehandelt und auch gewusst, dass die Voraussetzungen für deren Zulässigkeit nicht vorlägen. Die Beklagte habe auch durch den Einbau eines manipulierten OBD-Systems ein funktionierendes Abgasreinigungssystem vorgetäuscht. Dieses sei so programmiert, dass eine Überprüfung nur...

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