Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtschuldnerische Haftung weiterer Tierhalter bei bloßer Anwesenheit eines verletzten Tieres auf gemeinsamem Gelände

 

Normenkette

BGB § 830 Abs. 1 S. 2, § 833

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 13.05.2016; Aktenzeichen 11 O 271/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.04.2018; Aktenzeichen VI ZR 25/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.5.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Kiel (11 O 271/15) wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann die Klägerin die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Ansprüche aus Tierhalterhaftung geltend.

Die Parteien sind Pferdehalterinnen, deren Pferde in dem Stall A. in H. eingestellt waren. Der Stallbetreiber brachte wie an anderen Tagen am 13.4.2013 insgesamt 14 Pferde, darunter auch die Pferde der Parteien, auf das unbeobachtete Paddock, einen eingezäunten Sand- und Grasplatz, auf dem sich die Pferde üblicherweise bis gegen 17.00 Uhr aufhielten (...). Um diese Zeit wurden nacheinander jeweils 2 Pferde von Helfern des Stallbetreibers durch das etwa 10 m breite Tor (...) zu den Boxen geführt, Z-Felicitas, die Stute der Klägerin, zum blau markierten Eingang des Boxengebäudes.

Als die Pferde am Abend wie gewöhnlich in den Stall geholt wurden, lahmte Z-Felicitas; die später hinzukommende Klägerin stellte eine etwa 3 cm lange, leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte, ohne sich jedoch zunächst weitere Gedanken zu machen. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine tierärztliche Untersuchung am 14.4.2013 ergab erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein der Stute der Klägerin.

Ein Attest der "Tierärztlichen Klinik für Pferde Dr. B." vom 17.6.2015 (...) weist aus, dass die Stute der Klägerin dort aufgrund einer Schlagverletzung an der Innenseite des rechten Hinterbeines am 14.4.2013 vorgestellt wurde. Eine röntgenologisch und sonographische Untersuchung habe eine Griffelbeinfraktur des medialen Griffelbeins hinten rechts ergeben. Mit Hilfe der Bildgebung konnten mehrere dislozierte Frakturfragmente sowie eine Längsfissur des proximalen Griffelbeins ohne Dislokation dargestellt werden. Es folgen Beschreibungen der ärztlichen Behandlungen sowie aufgetretene Schwierigkeiten im Heilungsverlauf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Attestes Bezug genommen.

Die Klägerin macht als Schadensersatz im Wesentlichen Kosten in Höhe von 4.118,23 EUR sowie eine Wertminderung in Höhe von 7.000,00 EUR geltend. Hinsichtlich der Bezifferung des Schadens wird auf die Aufstellung in der Klageschrift vom 09.10.2015 (...) Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Stute sei am Unfalltag zwischen 16:00 und 18:00 Uhr von einem der 13 anderen Pferde auf der Weide getreten worden. Die Herde sei kurz vor dem Reinholen gegen 17:00 Uhr in Unruhe geraten. Um diese Uhrzeit sei die Fütterung regelmäßig erfolgt, während es in der Außenanlage keine Futtermöglichkeiten gab. Dementsprechend hätten sich die Tiere in einem festen Herdenverband bewegt, so dass theoretisch die Tiergefahr, die von jedem Tier ausging, den Schaden des klägerischen Pferdes hätte verursachen können.

Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag damit begründet, dass ihrer Ansicht nach das bloße "Dabeisein" ihres Pferdes eine mitschuldnerische Haftung aus § 830 BGB nicht begründen könne. Vielmehr müsse das Pferd des haftenden Tierhalters sich im Sinne "eines von mehreren beteiligten Tätern" verhalten haben. Dazu habe die Klägerin aber nichts vorgetragen.

Das LG hat die Klage vollständig abgewiesen. Es fehle bereits an einem anspruchsbegründenden Verhalten des Pferdes der Beklagten. Dieses komme zwar als potenzieller Schädiger in Betracht. Das reiche für eine Anspruchsbegründung nicht aus, vielmehr sei der Nachweis eines konkreten Verhaltens erforderlich, das zumindest geeignet sein müsse, den geltend gemachten Schaden zu verursachen. Beteiligt im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB seien - unter Menschen - nur Personen, deren Gefährdungshandlungen räumlich und zeitlich mit der Schädigung einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensvorgang bildeten. Demgegenüber scheide eine Anwendung dieser Beweiserleichterung aus, wenn zweifelhaft sei, ob der in Anspruch Genommene unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie behauptet, die 14 Pferde hätten eine Herde gebildet. Komme es auf so beengtem Raum zu Auseinandersetzungen, reagiere die H...

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