Leitsatz (amtlich)

Sozialversicherungsträger oder deren Mitarbeiter können sich dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit i.S.d. § 199 BGB nicht dadurch entziehen, dass sie ihre Mitarbeiter unzureichend ausbilden und überlasten.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen 7 O 303/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen vom 7.9.2010 gegen das Urteil des LG Itzehoe vom 15.7.2010 - 7 O 303/09, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages leisten.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 246.741,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 15.7.2010 gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Beklagten zu 1.) sei nicht ersichtlich, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt eine Haftung gegeben sei. Zwar sei die Beklagte zu 1.) inzwischen Betreiberin des Krankenhauses auf dessen Gelände sich der streitgegenständliche Unfall ereignet habe, doch komme als Anspruchsgegner lediglich der zum Zeitpunkt des Unfalls das Krankenhaus betreibende und als damaliger Eigentümer des Grundstücks haftende Kreis P. in Frage. Die Ansprüche des verletzten Kindes aus übergangenem Recht gegen den Beklagten zu 2.) dürften zwar dem Grunde nach bestehen, seien indes durch Verjährung nicht mehr durchzusetzen. Die Verjährungsfrist betrage gem. §§ 195, 199 BGB drei Jahre. Sie beginne mit dem Schluss des Jahres, in dem der Geschädigte vom Täter, den Umständen des Falles und dem Schaden Kenntnis erlange oder habe ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen können. Bei übergegangenen Ansprüchen komme es auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Anspruchsinhabers bzw. des für die Geltendmachung derartiger Ansprüche zuständigen Sachbearbeiters an. Grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Unkenntnis von Schaden und Umständen und Schädiger liege vor, wenn die für die Aufnahme und Bearbeitung des Schadens Verantwortlichen sich aufdrängende Fragen nicht stellten und sich aufdrängende Widersprüche nicht aufklärten, aller einfachste Überlegungen nicht anstellten und leicht zu ermittelnden Tatsachen nicht weiter nachgingen. Auch in organisatorischer Hinsicht könne sich grobe Fahrlässigkeit ergeben, wenn der Geschädigte seinen Betrieb nicht so organisiert habe, dass derartigen Fragen und Widersprüchen nachgegangen und auf der Hand liegende Ermittlungen getätigt würden und in subjektiver Hinsicht dieses zumutbar sei, so dass die Verantwortlichen bei Unterlassen dieser Tätigkeiten dem Vorwurf erheblicher Nachlässigkeit ausgesetzt seien. Dies sei vorliegend der Fall. Schon der schlichtesten Mitarbeiterin auf der Geschäftsstelle der Klägerin in U. hätte bei Aufnahme des Schadensfalles sich aufdrängen müssen, das Fremdverschulden des Betreibers des Krankenhauses El. festzustellen sei. Gleiches gelte für die Sachbearbeiterin der Klägerin für Regressfälle. Dies ergebe sich bereits aus dem Fragebogen, den die Eltern des Geschädigten Kindes hätten ausfüllen lassen. Auch wenn hier vermerkt sei, dass der Unfall "selbstverschuldet" sei, hätten die Sachbearbeiterinnen die weiteren Nachforschungen nicht unterlassen dürfen. Es habe ein offensichtlicher Widerspruch vorgelegen. Das seinerzeit drei Jahre alte Kind habe schwerlich den Unfall selbst verschuldet haben können. Auch ein Verschulden der Eltern an dem Unfall sei im Hinblick auf die ungesicherte Absturzstelle auf dem Gelände des Krankenhauses auch mit lediglich elementaren Rechtskenntnissen eines Laien nicht denkbar. Aufgrund des Fragebogens habe es auf der Hand gelegen, durch weitere Nachfragen zu klären, dass offenbar eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorgelegen habe, für die der Eigentümer und Betreiber des Krankenhauses verantwortlich gewesen sein könnte. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Eltern in dem Fragebogen bereits angegeben hätten, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der Interessen des Kindes beauftragt zu haben. Den Vorgang gleichwohl im Hinblick auf das Stichwort "selbstverschuldet" abzulegen, widerspreche einfachsten Überlegungen. Die Klägerinnen müssten sich das Verhalten ihrer für Regressfälle zuständigen Sachbearbeiterinnen auch zurechnen lassen. Sie treffe zudem ein eigenes Organisationsversäumnis. Die Versäumnisse der Klägerinnen seien auch nicht entschuldbar. Es habe im Hinblick auf die betroffenen Mitarbeiterinnen der Klägerin keiner besonderen Kenntnisse oder juristische Erfahrungen bedurft, um zu erkennen, dass Ansprüche in Rede gestanden hätten. Auch die Ansicht der Klägerin, die Mitarbeiterinnen seien mit den teils schwierigen Rechtsfragen der Verkeh...

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