Leitsatz (amtlich)

Die grob fahrlässige Nichtweiterleitung von in der Leistungsabteilung eines Sozialversicherungsträgers vorliegenden Erkenntnissen über mögliche Regressansprüche gegen Dritte an die zuständige Regressabteilung setzt den Lauf der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gang. Es ist insoweit nicht allein auf die Regressabteilung abzustellen.

 

Normenkette

BGB §§ 194-195, § 199 ff., § 852 a.F.; EGBGB Art. 229 § 6; SGB X §§ 116, 119

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 30.11.2010; Aktenzeichen 2 O 479/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.04.2012; Aktenzeichen VI ZR 108/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.11.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I.1. Die Klägerin macht als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung auf sie nach §§ 116, 119 SGB X übergegangene Schadensersatzansprüche ihres Versicherten V aus einem Verkehrsunfall vom 23.10.1987 in N geltend. Der Beklagte war Fahrer des verunfallten Fahrzeugs, der Versicherte V sein Beifahrer. Der Beklagte verursachte den Unfall durch unangepasste Geschwindigkeit und haftet allein. Bei dem Unfall wurde der Versicherte V schwer verletzt. Für ihn erbrachte die Klägerin Leistungen. Insoweit - wie auch wegen der Aufschlüsselung der Klageforderung - wird auf den Schriftsatz vom 11.3.2010, Bl. 32 ff. d.A., verwiesen. Gleichzeitig wird Feststellung der Ersatzpflicht bzgl. übergegangener Ansprüche begehrt.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, wobei er sich insbesondere auf den nachfolgend geschilderten, unstreitigen, Verfahrensablauf bezogen hat:

Mitte 1997 wurde die Klägerin (Leistungsabteilung), damals noch Landesversicherungsanstalt (LVA), aufgrund eines am 2.6.1997 gestellten Antrages des Vs auf Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem Unfall befasst, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin nicht schon bereits früher von dem Unfall Kenntnis erlangt hatte. Einen weiteren Unfall hatte der V 1994 erlitten. Es handelte sich um einen Arbeitsunfall. Hinsichtlich dieses Unfalls erfolgte eine Abgabe an das Rechtsreferat der Klägerin, nicht jedoch hinsichtlich des hier relevanten Unfalls. In dem Antrag heißt es bei der Frage nach einer Fremdverursachung: "Ja", "Verkehrsunfall v. 23.10.1987 und Arbeitsunfall vom 13.9.1994", bei der Frage ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht wurden ist "Ja" angekreuzt. In dem weiteren Antrag auf Feststellung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit wurde bei der Frage nach einem Unfall "Verkehrsunfall und Arbeitsunfall" angegeben und später: "Verkehrsunfall - Unterlagen liegen der LVA vor". Von der antragaufnehmenden Stelle, der Gemeinde Z1, wurde dem Rentenantrag kein Unfallermittlungsbogen bzgl. des Unfalls aus 1987 beigefügt. Die Klägerin hat einen solchen auch nicht nachgefordert. Zunächst wurde der Rentenantrag zurückgewiesen, nach Widerspruch des Versicherten V dann ab Juli 1997 Berufsunfähigkeitsrente und ab August 2000 Erwerbsunfähigkeitsrente zuerkannt. In dem Rentenverfahren legte der Versicherte V dar, dass er die Verletzungen 1987 bei einem vom Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall erlitten habe und dass die S Versicherung als Haftpflichtversicherer ihre Haftpflicht anerkannt habe und Ersatz leiste. Im Widerspruchsverfahren wurde der Unfall aus 1987 mit der Folge der Hirnleistungsschwäche erwähnt.

In einem ärztlichen Gutachten vom 21.7.1997 an die LVA sind beide Unfälle erwähnt, der Unfall aus 1987 auch näher beschrieben.

In einem Antrag auf Versichertenrente vom 3.1.2000 wurde die Frage nach einem Unfall mit "Ja" beantwortet und zugefügt "Unterlagen liegen dem LVA vor!". In einem ärztlichen Bericht an die LVA vom 21.6.2000 wurde die Frage nach "Unfallfolgen" bejaht.

In einem an die (damalige) LVA gerichteten Entlassungsbericht der Neurologischen Klinik I vom 8.2.2001 heißt es unter Anamnese: "Der Patient verunfallte am 23.10.1987 als Pkw-Beifahrer".

In einem Antrag auf Feststellung eines Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom 4.7.2005, bei der LVA eingegangen am 5.7.2005 heißt es: "Wir betreuen unseren Mandanten bereits seit 1987, dem Eintritt des Unfallgeschehens".

Mit Schreiben vom 12.5.2005 baten die Rechtsanwälte des Versicherten V um Mitteilung der Renteneinkünfte 2004, da sie diese gegenüber der S Versicherung bei der Berechnung des Verdienstausfallschadens absetzen müssten, ebenso wurde am 25.1.2006 angefragt. Die Schreiben wurden von der Klägerin beantwortet.

Mit am 9.2.2009 eingegangenen Schreiben vom 4.2.2009 fragte der Prozessbevollmächtigte des V unter Mitteilung, dass er Verdienstausfallschadensansprüche des V gegenü...

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