Leitsatz (amtlich)

Zum substantiierten Vortrag einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ein Fahrzeug (hier ein Mercedes Benz C 250 CDI 4MATIC mit einem Motor OM 651)

 

Normenkette

BGB § 826

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 30.06.2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen in seinem Fahrzeug eingebauter unzulässiger Abschalteinrichtungen.

Der Kläger kaufte von der Fa. X am 12.05.2016 einen gebrauchten Mercedes Benz C 250 CDI 4MATIC zu einem Preis von 24.700,00 EUR (Anlage K 1, AB). Das Fahrzeug ist mit einem Motor OM 651 ausgestattet und in die Schadstoffklasse EU 5 eingeteilt.

In dem Motor wird der Stickoxidausstoß über eine Abgasrückführung minimiert. Dabei werden Abgase in den Verbrennungsraum zurückgeführt, was zu einer Abkühlung des Verbrennungsprozesses und dadurch zu einer verringerten Bildung von Stickoxiden führt. Andererseits steigt dadurch die Bildung von Rußpartikeln. Die Abgasrückführung wird über ein sogenanntes Thermofenster reguliert, das heißt abhängig unter anderem von den Außentemperaturen verändert sich die Rate der Abgasrückführung. Ein SCR-Katalysator ist in das Fahrzeug nicht eingebaut.

Die Motorsteuerung verfügt über eine sogenannte Kühlmittelsolltemperatur-Regelung. Das Kühlmittel wird nach dem Start des Fahrzeugs heruntergekühlt, was zu einer abgesenkten Verbrennungstemperatur und dadurch zu einer Reduzierung von Stickoxiden führt. Wegen dieser Regelung hat das Kraftfahrt-Bundesamt für bestimmte mit einem Motor OM 651 ausgerüstete Modelle einen Rückruf angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart führt gegen Mitarbeiter der Beklagten Ermittlungen wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung.

Der Kläger hat behauptet, der Grenzwert für Stickoxidemissionen werde nur mithilfe von Abschalteinrichtungen eingehalten. Bei Messungen der Deutschen Umwelthilfe und der Volkswagen-Untersuchungskommission sei der Grenzwert im Straßenbetrieb überschritten worden.

Außerhalb des Temperaturbereiches für den NEFZ von 20 °C bis 30 °C werde die Abgasrückführung ungerechtfertigt schnell abgeschaltet. Bei 7 °C werde sie um bis zu 48 % reduziert.

Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung halte nach einem Gutachten (Anlage R 1, AB) die Temperatur des Kühlmittels bei bestimmten Drehzahlen und Luftmassenströmen, die praktisch nur im NEFZ, im normalen Betrieb wegen einer stärkeren Beschleunigung aber nicht vorkämen, bei 70 °C. Die stärkere Kühlung führe zur Einhaltung des Grenzwerts, aber auch zu einem höheren Verschleiß. Sie sei technisch nicht sinnvoll. Würden die Parameter überschritten, würde eine Solltemperatur von 100 °C eingestellt. Der Effekt würde dadurch verstärkt, dass bei einem Sollwert von 70 °C die Kühlerjalousie bereits vor Erreichen des Sollwerts geöffnet werde, was zu einem weiteren Herunterkühlen führe, technisch aber nicht sinnvoll sei. Nach Ablauf eines Timers werde eine höhere Kühlmitteltemperatur und eine niedrigere Abgasrückführungsrate eingestellt.

Es gebe eine Prüfstanderkennung mit den Funktionen Bit 13, Bit 14 und Bit 15, die zu verschiedenen Betriebs-Modi führten und die Abgasreinigung herunterregelten.

Die Beklagte habe im Typenzulassungsverfahren Unterlagen nicht vorgelegt.

Der Kläger hat die Zahlung von 24.700,00 EUR nebst Zinsen unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, die Senkung der Abgasrückführungsrate bei niedrigen Temperaturen sei zum Schutz des Motors vor Ablagerungen notwendig. Es handele sich um einen Industriestandard. Die Abgasrückführung sei noch bei zweistelligen Minusgraden aktiv.

Die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung sei für die Einhaltung des Grenzwerts nicht ausschlaggebend. Sie diene der Reduktion der Emissionen nach einem Kaltstart. Die Steuerungsbedingungen seien auf der Straße genauso geregelt wie auf dem Prüfstand. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten sei unbrauchbar. So verfüge das untersuchte Fahrzeug ebenso wenig wie das Fahrzeug des Klägers über eine Kühlerjalousie. Eine isolierte Untersuchung der Software reiche nicht, es müssten auch die Emissionen untersucht werden.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein deliktischer Anspruch zu. Sein Vortrag sei ohne Substanz. Für eine unzulässige Kühlmittelsollte...

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