Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasspflegschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Es gehört nicht zu den Aufgaben des Nachlasspflegers, die Nachlassgläubiger zu befriedigen.

 

Normenkette

BGB § 1960

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 28.08.1996; Aktenzeichen 4 O 78/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird die Kostenentscheidung des am 28. August 1996 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg dahingehend geändert, daß die Klägerin 86 % und der Beklagte 14 % der Kosten des Rechtsstreits tragen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 25.171,57 DM.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung der Klägerin ist in der Hauptsache unbegründet, denn das Landgericht hat zu Recht eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten in seiner Eigenschaft als Nachlaßpfleger verneint. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin bei Abschluß der Sicherungsabtretung mit dem Erblasser, dessen Nachlaß durch die Nachlaßpflegschaft des Beklagten gesichert werden soll, wirksam vertreten war und ob diese Sicherungsabtretung Nichtigkeitsgründen ausgesetzt ist. Denn selbst bei einem bestehenden Zahlungsanspruch der Klägerin müßte sie von den unbekannten Erben des Erblassers Zahlung verlangen und kann nicht den Beklagten in seiner Eigenschaft als Nachlaßpfleger in Anspruch nehmen.

Gemäß § 1960 Abs. 1 S. 1 BGB hat das Nachlaßgericht bis zur Annahme der Erbschaft für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, gemäß § 1960 Abs. 2 BGB besteht eine Sicherungsmaßnahme in der Bestellung eines Nachlaßpflegers für denjenigen, welcher Erbe wird. Der Nachlaßpfleger hat den Nachlaß für den Erben zu erhalten und zu verwalten. Er hat die Erben zu ermitteln und zu benachrichtigen und für die Erhaltung und Verwaltung des Nachlasses in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu sorgen. Grundsätzlich ist es nicht seine Sache. Nachlaßgläubiger zu befriedigen (vgl. Palandt-Edenhofer, 56. Aufl., § 1960 Rn. 13 und 20; Johannsen WM 1972, 919; Urteil des BGH vom 4. Dezember 1965 (III ZR 227/63) S. 12 der Urteilsgründe). Ausnahmsweise ist der Nachlaßpfleger zur Begleichung von Nachlaßschulden befugt, wenn dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses, z. B. zur Verhütung von Schäden oder Vermeidung unnötiger Prozesse und Kosten geboten ist (BGH, Johannsen, Palandt, jeweils a. a. O.). Dem Nachlaßpfleger wird also nur eine Befugnis eingeräumt, in Ausnahmefällen – z. B. zur Vermeidung unnötiger Prozesse und Kosten – Nachlaßgläubiger zu befriedigen. Keineswegs ergibt sich daraus eine Verpflichtung des Nachlaßpflegers, Forderungen Dritter zu befriedigen oder gar ein Dritten zustehender Anspruch darauf.

Das würde auch dem Wesen der Nachlaßpflegschaft widersprechen. Die Nachlaßpflegschaft ist eine vorläufige Maßnahme zur Ermittlung der Erben und zur Sicherung des Nachlasses. Zugunsten der endgültigen Erben und des Nachlasses soll der Nachlaßpfleger Fürsorgemaßnahmen treffen (vgl. MüKo-Leipholt, 3. Aufl., § 1960 Rn. 30). Außerhalb dieses Aufgabenbereiches liegt die Befriedigung von Nachlaßgläubigern, da in diesen Fällen der Nachlaßpfleger in der Regel dem Gläubigerinteresse nachkommt und seine Tätigkeit grundsätzlich nicht der Erhaltung des Nachlasses dient. Der Anspruch der Nachlaßgläubiger richtet sich gegen die Erben, gegen diese muß vollstreckt werden. Wird innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist kein Erbe ermittelt, so ist gemäß § 1964 BGB festzustellen, daß andere Erben als der Fiskus nicht vorhanden sind. Aus dem Zusammenspiel von § 1960 BGB und § 1964 BGB wird deutlich, daß es den Gläubigern zugemutet wird, ihr Forderungsbegehren für die Dauer der Ermittlung der Erben zurückzustellen.

Nur in Ausnahmefällen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses geboten ist, ist der Nachlaßpfleger befugt, Nachlaßgläubiger zu befriedigen. Diese Handlungsweise muß er allein gegenüber den Erben, als deren gesetzlicher Vertreter der Nachlaßpfleger tätig wird (MüKo a. a. O. Rn. 31; BGH LM § 325 ZPO Nr. 10), verantworten. Diese Aufgabe und Funktion des Nachlaßpflegers wird von jener Mindermeinung (Draschka, Rechtspfleger 1992, 281) verkannt, die generell eine Verpflichtung des Nachlaßpflegers zur Befriedigung von Nachlaßverbindlichkeiten annimmt.

Vorliegend kommt hinzu, daß der Nachlaß überschuldet ist, eine Überschuldung jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. In einem Nachlaßkonkursverfahren wäre dann über die Ansprüche aller Nachlaßgläubiger und deren gleichmäßige Befriedigung zu befinden. Aufgrund der Sicherungsabtretung steht der Klägerin zwar jedenfalls ein Absonderungsrecht zur Seite, jedoch wäre auch darüber im Rahmen des Nachlaßkonkursverfahrens zu entschieden. Von dem Beklagten als Nachlaßpfleger kann nicht verlangt werden, die Aufgabe eines Konkursverwalters wahrzunehmen und die Absonderungsans...

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