Leitsatz (amtlich)

Eine zur Ausschlagung der Nacherbschaft befugte Erbin kann schon wirksam mit verjährungsunterbrechender Wirkung Klage auf ihren Pflichtteil erheben, weil sie bereits vor Abgabe ihrer den Pflichtteilsanspruch voraussetzenden Ausschlagungserklärung als Berechtigte i.S.d. § 209 BGB a.F. angesehen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 209 a.F., §§ 2306, 2332

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 6 O 267/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen VII ZR 419/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.9.2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 313a Abs. 1 ZPO n.F. abgesehen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Berufungssumme ist hier nach dem gem. § 511a S. 2 1. Hs. ZPO hinreichend glaubhaft gemachten Berufungsvortrag erreicht. Die Klägerin trägt insoweit vor, es fehle an einer konkreten Notarkostenrechnung oder jedenfalls einer eidesstattlichen Versicherung oder sonstigen Bescheinigung eines Notars, welche Kosten für die notarielle Bestätigung eines Bestandsverzeichnisses entstehen würden. Derartiger Nachweise bedarf es bei dem zur Entscheidung gestellten Sachverhalt nicht. Der Senat geht hier ohne Weiteres davon aus, dass eine auf der Grundlage der §§ 112, 114 KostO erstellte Notarkostenrechnung die nach § 511a ZPO erforderliche Summe übersteigt. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Klägerin selbst von einem Nachlasswert von 2,1 Mio. DM ausgegangen ist. Ausgehend hiervon übersteigt allein die halbe Gebühr nach § 32 KostO die Berufungssumme.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunftserteilung gem. § 2314 Abs. 1 S. 1 und S. 3 BGB zu, denn sie ist durch die Erklärung der Ausschlagung der Nacherbschaft gem. §§ 2306 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 2303 BGB Pflichtteilsberechtigte geworden.

Die Pflichtteilsansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB ist durch die rechtzeitig am 6.8.1999 eingereichte, am 10.9.1999 zugestellte Stufenklage auf Zahlung des Pflichtteils wirksam unterbrochen worden, denn die Klägerin ist so zu behandeln, als habe sie diese Klage als Berechtigte i.S.d. § 209 Abs. 1 BGB erhoben. Die Unterbrechungswirkung ist auch nicht gem. § 212 Abs. 1 BGB durch die Klagrücknahme entfallen, weil die Klägerin binnen 6 Monaten erneut Klage auf Zahlung des Pflichtteils und zwar wiederum als Stufenklage erhoben hat (§ 212 Abs. 2 S. 1 BGB). Anders als bei alleiniger Erhebung einer Auskunftsklage haben die beiden jeweils als Stufenklage erhobenen Klagen verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. BGH NJW 1975, 1409; NJW 1999, 1101).

Die Klägerin ist bei Erhebung der ersten Stufenklage auch als Berechtigte i.S.d. § 209 BGB anzusehen gewesen.

Dabei kommt es nicht entscheidend auf die Rechtsinhaberschaft der Klägerin an, von der hier wegen der rückwirkenden Funktion der §§ 1953, 2317 BGB auszugehen ist, sondern es sind vielmehr ihre Befugnis zur klageweisen Geltendmachung des Anspruchs und demnach ihre materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis entscheidend (Palandt/Heinrichs, § 209, Rz. 9 m.w.N.). Die klageweise Geltendmachung des materiellen Anspruchs kann allerdings nicht rückwirkend erfolgen. Es ist anerkannt, dass die Klage eines Nichtberechtigten nach späterer Genehmigung durch den Berechtigten die Verjährung nur mit Wirkung „ex nunc” unterbricht (PalandtHeinrichs, § 209 Rz. 11; BGHZ 46, 229). Sollte der Klägerin die materielle Verfügungsbefugnis zum Zeitpunkt der Klagerhebung also gefehlt haben, hätte deren späteres Vorliegen bei dem hier zur Entscheidung gestellten Fall nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung führen können.

Die Klägerin ist hier allerdings unter Beachtung dieser Grundsätze materiell als verfügungsbefugt und damit als Berechtigte zu behandeln. Der Begriff des Berechtigten ähnelt dem des § 185 BGB. Er entspricht spiegelbildlich dem des Nichtberechtigten. Auch ein noch nicht Berechtigter ist nach ständiger Rechtsprechung bei Verfügungen über sein Anwartschaftsrecht Berechtigter (BGHZ 20, 88 [94]). Nach diesen Grundsätzen ist hier die Berechtigung der Klägerin jedenfalls soweit angelegt gewesen, dass dies einer Berechtigung i.S.d. § 209 BGB gleichzusetzen ist.

Die rechtliche Stellung der Klägerin im Hinblick auf das Vorliegen ihrer Berechtigung zur Klagerhebung (vgl. BGHZ 20, 88 [94]) ist in den bereits in der angefochtenen Entscheidung des LG genannten Vorschriften des Pflichtteilsrechts im einzelnen umschrieben. Nach § 2317 BGB entsteht der vererbliche und übertragbare Anspruch auf den Pflichtteil mit dem Erbfall, wobei in den Fällen der §§ 2306, 2307 BGB der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil erst verlangen kann, wenn er den Erbteil ausschlägt. Welche rechtliche Stellung dem Ausschlagungsberechtigten im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch zukommt...

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