Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesteigerte Erwerbsobliegenheit von Eltern gegenüber ihren unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern muss sich der unterhaltspflichtige Elternteil auch geringfügige Einkünfte aus Nebentätigkeit fiktiv anrechnen lassen. Insoweit kann er sich in aller Regel auch nicht darauf berufen, dass er wegen seiner Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr an einer geringfügigen Nebentätigkeit gehindert sei.

 

Normenkette

BGB § 1603

 

Verfahrensgang

AG Ahrensburg (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen 28 F 525/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Ahrensburg vom 27.3.2007 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für das gemeinsame Kind der Parteien M., geb. 10.11.2006, Kindesunterhalt wie folgt zu zahlen:

ab 11/06 monatlich 176 EUR

ab 1/07 monatlich 179 EUR

ab 15.3.2007 100 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung, wobei der zukünftige Unterhalt zahlbar monatlich im Voraus ist bis zum dritten Werktag eines jeden Monats.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen die Klägerin 1/10 und der Beklagte 9/10.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 3.211 EUR (247 × 13).

 

Gründe

I. Hinsichtlich des Tatbestandes wird verwiesen auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, § 540 ZPO.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die von dem Beklagten mit seiner jetzigen Lebensgefährtin bewohnte Doppelhaushälfte nicht in seinem Eigentum, sondern in dem Eigentum seiner Mutter steht.

Das FamG hat den Beklagten zu dem beantragten Regelunterhalt von 100 % ab 11/06 verurteilt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, der vom FamG zugrunde gelegte Hauswert mit 795 EUR könne nicht zugrunde gelegt werden. Das bewohnte Haus stehe nicht im Eigentum des Beklagten, sondern im Eigentum seiner Mutter.

Im Übrigen müsse berücksichtigt werden der Bruder der Klägerin, der Sohn Florian, geb. 2.5.1994, der bei dem Beklagten wohne, von diesem unterhalten werde, da seitens der Kindesmutter für F. kein Barunterhalt gezahlt werde. F. sei vorrangig im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuwesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze.

II. Die Berufung des Beklagten hat geringfügig Erfolg.

Der Beklagte schuldet der Klägerin unstreitig Kindesunterhalt für den Sohn M. gem. § 1601 ff. BGB, den die Klägerin nach § 1629 Abs. 3 BGB geltend machen kann.

Im Rahmen der Leistungsfähigkeit sind zunächst zu berücksichtigen seine Nettoeinkünfte ab 1.11.2006 und leicht erhöht ab 15.3.2007. Insoweit wird verwiesen auf die anliegende Unterhaltsauswertung. Davon abzuziehen sind monatliche Fahrkosten mit 88 EUR bzw. ab 15.3.2007 monatlich je 15 EUR.

Mit der Berufung ist davon auszugehen, dass ein Wohnvorteil zu Lasten des Beklagten nicht berücksichtigt werden kann. Nach den vorgelegten Grundbuchauszügen steht das vom Beklagten bewohnte Haus im Alleineigentum der Mutter. Gebrauchsvorteile als Nutzungen von Vermögen sind im Rahmen der Bewertung des Wohnrechtes nach § 100 BGB nur zu berücksichtigen, wenn der Eigentümer die Nutzungen der Sache, hier der Doppelhaushälfte, zieht. Dies ist nicht der Fall.

Der Beklagte ist unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als wohne er bei seiner Mutter zur Miete. Die Mutter lässt den Beklagten nicht kostenlos wohnen. Der Beklagte zahlt 400 EUR auf die Belastungen des Hauses. Damit kann er jedoch unterhaltsrechtlichen noch nicht wie ein Eigentümer behandelt werden.

Im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 BGB sind jedoch zu Lasten des Beklagten fiktive geringfügige Einkünfte aus Nebentätigkeit zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. zuletzt BVerfG, FamRZ 2007, 273 ff.) trifft Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung ihrer Arbeitskraft. Er gilt insbesondere, wenn die aus einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte nicht ausreichen, den geschuldeten Unterhalt zu leisten. Jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit vollschichtig geleistet wird, muss sich der Unterhaltspflichtige eine weitere Beschäftigung suchen, um zusätzliche Mittel für den Kindesunterhalt zu erwirtschaften. Die Elternverantwortung erfordert, für die Ausübung einer Nebentätigkeit auch Zeiten in Betracht zu ziehen, die üblicherweise dem Freizeitbereich zuzuordnen sind sowie jede Art von Tätigkeit anzunehmen. Diese strengen, auch vom BGH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen (v...

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