Verfahrensgang

AG Husum (Aktenzeichen 22 F 30/18)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Husum vom 23. Juli 2018 in Ziffer 1. bis 4. seines Tenors geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Von der Anordnung von gerichtlichen Maßnahmen gemäß § 1666 BGB wird abgesehen.

2. Der Teilbereich der elterlichen Sorge, der den Wirkungskreis der Regelung der schulischen Angelegenheiten für die Jugendliche Marie-Helen S1 umfasst, wird der Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen.

Im Übrigen bleibt es bei der gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge für die Jugendliche Marie-Helen S1.

II. Die Gerichtskosten und die gerichtlichen Auslagen des Verfahrens haben die Kindeseltern jeweils zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Diese Kostenregelung gilt für beide Rechtszüge.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Verfahrenswert für die Beschwerde wird auf 6.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eltern von Marie-Helen S1 sind geschiedene Eheleute. Ihre Ehe ist im Herbst 2009 gescheitert. Im Januar 2010 zog die Kindesmutter mit Marie-Helen vom ehelichen Wohnort B1 nach O1. Der Kindesvater blieb in B1. Die elterliche Sorge für Marie-Helen wurde von den Eltern bisher gemeinsam ausgeübt.

Die jetzt 43 Jahre alte Kindesmutter studierte nach dem Abitur in B1 im Studiengang Lehramt für Gymnasien Latein, Englisch und Deutsch als Fremdsprache sowie im Magisterstudiengang Anglistik, Amerikanistik und klassische Philologie. Das erste Staatsexamen legte sie im Jahr 2007 mit der Gesamtnote gut (1,84) ab. Von 2008 bis 2010 absolvierte sie das Referendariat am Altsprachlichen Gymnasium S2 in B1 und erreichte im zweiten Staatsexamen die Gesamtnote sehr gut (1,16). Ab 2010 lehrte sie als Studienrätin am N1 Gymnasium in O1. Sie ist inzwischen in zweiter Ehe verheiratet mit Herrn Piotr P1. Mit ihm hat sie den gemeinsamen Sohn Justus, der im Jahr 2013 geboren wurde. Von 2014 bis 2017 bildete die Kindesmutter sich fort in Musik-Gestalttherapie, von 2014 bis 2018 in Stimmbildung und Stimmentwicklung. Seit 2016 arbeitet sie als freie Sängerin sowie als "Coach zur Persönlichkeitsentwicklung über Stimme". Aus dem Schuldienst hat sie sich entlassen lassen. Die Kindesmutter tritt bei ihren Auftritten gemeinsam mit ihrem Ehemann, der verschiedene Instrumente spielt, auf. Zu ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie ausgeführt, dass ihr Ehemann und sie als freie Künstler des Öfteren unterwegs seien. Während sich in der Anfangsphase die Aufträge meist lokal ergeben hätten, seien sie inzwischen auch in weiterer Entfernung unterwegs. Diese Tendenz werde sich fortsetzen. Die Kindesmutter ist im Juni 2018 unter anderem bei einer Veranstaltung des "S3 Bewegung e. V." aufgetreten; sie hat dort zwei musikalische Auftritte als abendliche Unterhaltung der anwesenden Mitglieder übernommen sowie vier Workshops zum Thema "Musizieren mit Kindern".

Der jetzt 45 Jahre alte Kindesvater hat ab 1992 Chemie und Biotechnologie in B1 studiert. Er hat seine Habilitation abgeschlossen und arbeitet bei der Max-Planck-Gesellschaft in B1 (F2-Institut). Der Kindesvater hat mit seiner neuen Partnerin zwei Kinder, Ella (5 Jahre) und Gisbert (2 Jahre), und lebt mit diesen zusammen.

Marie-Helen lebt seit der Trennung ihrer Eltern bei ihrer Mutter. Nur in der Zeit von April 2011 bis November 2011 hatte sie während eines Klinikaufenthaltes ihrer Mutter ihren Lebensmittelpunkt bei ihrem Vater.

Marie-Helen besuchte die Grundschule in O1 und - während des Klinikaufenthaltes ihrer Mutter - die katholische Grundschule U1 in B1. Nach den Sommerferien 2015 wechselte sie auf das N1 Gymnasium in O1, im Januar 2016 folgte ein weiterer Wechsel zur S4 Schule (Gymnasium) in H1. Dort soll es ihr nach eigenem Bekunden "eigentlich gut gefallen" haben. Es gab keine Probleme, Marie-Helen zeigte gute bis befriedigende Leistungen. Ab Januar 2017 fehlte Marie-Helen zunächst entschuldigt durch ärztliche Atteste bis einschließlich zum 24. Februar 2017, danach unentschuldigt. Es fanden mehrere Gespräche in der S4 Schule statt, die jedoch nicht zu einem Ende der Schulabstinenz führten. Im Zeugnis vom Sommer 2017 erhielt Marie-Helen von der S4 Schule überwiegend mangelhafte bzw. ungenügende Leistungen wegen Leistungsverweigerung. Sie wurde daraufhin an die Gemeinschaftsschule schrägversetzt. Zu einem Schulbesuch von Marie-Helen kam es auch nach den Sommerferien 2017 nicht.

Aufgrund der Schrägversetzung in die siebte Jahrgangsstufe einer Gemeinschaftsschule wollte der Kindesvater Marie-Helen in der E1-Schule anmelden. Dem hat die Kindesmutter widersprochen, die stattdessen ein Klagverfahren gegen die S4 Schule wegen der Schrägversetzung betreiben wollte. Damit war der Kindesvater nicht einverstanden.

Im Ergebnis besucht Marie-Helen seit Februar 2017 keine Schule mehr, so dass sie ihren Schulbesuch nach dem ersten Halbjahr der 6. Klasse abgebrochen hat.

Marie-Helen hat ihre Schulabstinenz in einem Schreiben an das Ministe...

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