Leitsatz (amtlich)

Die Verweisung eines Rechtsstreits durch das im Mahnbescheidsantrag bindend bezeichnete Streitgericht nach Abgabe an dieses ist auch dann objektiv willkürlich, wenn die Verweisung auf übereinstimmenden Antrag der Parteien erfolgt.

 

Orientierungssatz

Änderung der im Mahnbescheid getroffenen Gerichtsstandswahl.

 

Normenkette

ZPO §§ 261, 281, 690, 692, 696

 

Verfahrensgang

AG Ahrensburg (Aktenzeichen 40 C 69/00)

AG Cottbus (Aktenzeichen 48 C 173/00)

 

Tenor

Zuständig ist das Amtsgericht Ahrensburg.

 

Gründe

I.

Der Kläger mit Sitz im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus macht gegen die in Ahrensburg wohnenden Beklagten die Vergütung für die Errichtung und zeitweise Überlassung eines Gerüstes an einem Bau der Beklagten im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus geltend. Er hatte entsprechend mit Antrag vom 24.2.2000 beim Amtsgericht Cottbus Mahnbescheide vom 1.3.2000 gegen die Beklagten erwirkt, in denen er als Streitgericht das Amtsgericht Ahrensburg angegeben hat. Ein Schriftsatz des Klägers vom 3.3.2000, mit dem er versuchte, diese Angabe zu ändern (Amtsgericht Cottbus als Gerichtsstand des Erfüllungsortes) wurde den Beklagten erst nach Widerspruch, Klagbegründung, Vorschußzahlung und Abgabe an das Amtsgericht Ahrensburg mit einem Anhörschreiben zu diesem Antrag am 20.6.2000 übersandt. Auch ein erneuter Antrag des Klägers vom 31.5.2000 auf Abgabe des Rechtsstreits an das Amtsgericht Cottbus erreichte die Beklagten erst in diesem Zusammenhang. Mit Schriftsatz vom 23.6.2000 erklärten sie ihre Zustimmung zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Cottbus ohne mündliche Verhandlung.

Darauf erklärte sich das Amtsgericht Ahrensburg mit Beschluß vom 28.6.2000 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit „gemäß § 29 ZPO” an das Amtsgericht Cottbus. Dieses lehnte die Übernahme ab und sandte die Akte mit einem entsprechenden Vermerk zurück. Das Amtsgericht Ahrensburg übersandte die Akte erneut an das Amtsgericht Cottbus, das nunmehr die Sache mit Beschluß vom 18.8.2000 dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt hat.

II.

Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Ahrensburg vom 28.6.2000 ist ausnahmsweise (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) nicht bindend, da er objektiv willkürlich ist. Ihm fehlt nach Auffassung des Senats jede rechtliche Grundlage, auch wenn sich die Richterin auf eine Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts (vom 8.2.1993 Rechtspfleger 1993, 411) und auf die zustimmende Kommentierung von Vollkommer (Zöller, 21. Aufl. RNr. 9 a zu § 696 ZPO) berufen hat.

Die Gesetzeslage ist seit der ab 1.1.1992 geltenden Neuregelung der §§ 696, 692, 690 ZPO eindeutig: Eine Änderung der im Mahnbescheid getroffenen Gerichtsstandswahl ist nach Erlaß des Mahnbescheides nur noch auf übereinstimmenden Antrag vor der Abgabe an das Streitgericht möglich (BGH Beschluß vom 19.1.1993 NJW 1993, 1273). Nur wenn bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts kein Wahlrecht bestand, kommt dieser Angabe im Mahnbescheidsantrag keine bindende Wirkung zu (BGH Beschluß vom 22.6.1993 NJW 1993, 2810). Die dem entgegenstehende Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 8.2.1993 (aaO.) überzeugt mit ihrem Hinweis auf die mangelnde Bindung der Abgabe nach § 696 Abs. 5 ZPO nicht. Spätestens mit dem Eingang der Akten beim Streitgericht tritt nämlich nach § 696 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 ZPO Rechtshängigkeit der Sache ein und nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO haben Veränderungen der zuständigkeitsbegründenden Umstände – wie z. B. eine Gerichtsstandvereinberung – keinen Einfluß mehr. Nicht von ungefähr setzt die Verweisung nach § 281 ZPO die Feststellung voraus, das verweisende Gericht seiunzuständig (was z. B. nur beivor Rechtshängigkeit vereinbarter oder anderweit geregelter ausschließlicher Zuständigkeit der Fall ist).

Wegen dieser Abweichung von der genannten Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts zur Frage der Willkür schuldet der Senat keine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO. In seiner späteren Entscheidung vom 9.9.1993 (NJW-RR 1994, 891) hat das Bayerische Oberste Landesgericht nämlich – wenn auch in der abgedruckten Fassung ohne ausdrückliche Auseinandersetzung – von der früheren Entscheidung Abstand genommen und einen (Weiter-)Verweisungsbeschluß trotz übereinstimmender Auffassung der Parteien in einem Fall wie dem vorliegenden als willkürlich bezeichnet. Dabei hat das Bayerische Oberste Landesgericht sich in diesem Beschluß u. a. ausdrücklich auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 19.1. und 22.6.1993 bezogen, ohne allerdings darauf einzugehen, daß in dem Fall des ersten BGH-Beschlusses der Beklagte der Verweisung widersprochen hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 547849

NJW-RR 2001, 646

ZAP 2001, 66

MDR 2001, 50

Rpfleger 2001, 38

OLGR-BHS 2001, 47

www.judicialis.de 2000

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