Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Voraussetzung für einen Aufwendungsersatz des Anwalts-Nachlasspflegers. rechtliche Schwierigkeit der Aufgabenwahrnehmung zur Einzelfallabgrenzung. Insolvenzantrag in einem einfachen Fall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem als Nachlasspfleger bestellten Rechtsanwalt steht eine nach RVG zu berechnende anwaltliche Vergütung gemäß den §§ 1960, 1915, 1835 Abs. 3 BGB nur dann zu, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit eine Aufgabe wahrnimmt, die sich als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt und die ein Laie üblicherweise bzw. vernünftigerweise auf einen Rechtsanwalt übertragen würde.

2. Es ist deshalb im Einzelfall abzugrenzen, ob die Aufgabe - wenn sie nicht aufgrund der Gesetzeslage zwingend von einem Rechtsanwalt erledigt werden muss - bereits eine derartige rechtliche Schwierigkeit aufweist, dass ein Laie dafür einen Rechtsanwalt heranziehen würde. Das ist bei dem Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens noch nicht der Fall, wenn es um einen einfachen Fall deutlicher Überschuldung des Nachlasses geht.

 

Normenkette

BGB § 1835 Abs. 3, § 1915 Abs. 1 S. 2, § 1960 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Rendsburg (Beschluss vom 29.11.2012)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG Rendsburg vom 29.11.2012 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 21.1.2013 hinsichtlich der Vergütungsbeträge dahin geändert, dass die Vergütung des Beteiligten zu 1) als Nachlasspfleger auf 2.221,23 EUR festgesetzt wird und eine zusätzliche Vergütung für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt nicht festgesetzt wird.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 744,94 EUR.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1) ist durch Beschluss des AG vom 13.8.2012 zum Nachlasspfleger mit dem Hinweis bestellt worden, dass er sein Amt beruflich ausübt (Bl. 33f d.A.). Mit zwei Antragsschreiben jeweils vom 22.10.2012 hat er die Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger im Zeitraum vom 14.8.2012 bis zum 19.10.2012 i.H.v. 2.266,93 EUR (einschl. Auslagen, Bl. 69 ff. d.A.) und - gestützt auf § 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. Nr. 3313 RVG-VV - eine anwaltliche Vergütung für das Betreiben des Insolvenzantragsverfahren i.H.v. 744,94 EUR (Bl. 73 d.A.) geltend gemacht. Letzterem liegt der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit Schreiben an das AG Neumünster vom 22.10.2012 (Bl. 74 - 78 d.A.) zugrunde, wo darauf verwiesen wird, es bestehe Nachlassüberschuldung, weil einem Nachlassvermögen von 18.575,19 EUR Verbindlichkeiten von 77.743,60 EUR gegenüberstünden.

Das AG hat den beiden Vergütungsanträgen mit Beschluss vom 29.11.2012 stattgegeben (Bl. 93f d.A.).

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) mit einem am 7.12.2012 eingegangenen Schreiben den "zulässigen Rechtsbehelf" eingelegt, soweit pauschale Porto- und Telefonkosten von 20 EUR und soweit die Rechtsanwaltsvergütung von 744,94 EUR zugesprochen worden sei. Letztere sei nicht festsetzungsfähig, denn ein Nichtrechtsanwalt als Nachlasspfleger hätte die fragliche Tätigkeit selbst ausüben können, ohne einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Stellung des Insolvenzantrags sei rechtlich nicht schwierig.

Der Beteiligte zu 1) ist dem Rechtsbehelf des Bezirksrevisors in Bezug auf die Rechtsanwaltsvergütung entgegengetreten und hat argumentiert, die Prüfung der Voraussetzungen und Aussichten sowie anschließende Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gehöre unabhängig von der Schwierigkeit der zugrunde liegenden Umstände nicht zu den berufsspezifischen Aufgaben und Kenntnissen eines nichtanwaltlichen Nachlasspflegers, der vielmehr berechtigt sei, hierfür Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Die Vergütungsbestimmung in Nr. 3317 RVG-VV zeige, dass es sich bei der Einleitung des Insolvenzverfahrens um eine berufsspezifische Aufgabe des Rechtsanwalts handele.

Das AG hat mit dem Teilabhilfebeschluss vom 21.1.2013, Bl. 113 d.A., der Beschwerde insoweit nicht abgeholfen, als diese die festgesetzten 744,94 EUR betrifft. Es hat sich der Meinung des Beteiligten zu 1) angeschlossen und auch auf die Entscheidung des BGH vom 20.12.2006 (XII ZB 118/03, NJW 2007, 844 ff.) verwiesen.

II. Der eingelegte Rechtsbehelf ist als Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG zulässig. Der Staatskasse steht gem. § 304 FamFG ein Beschwerderecht zu. Auf die Nachlasspflegschaft (§ 342 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG) ist das 3. Buch des FamFG (§§ 271 - 341 FamFG) anzuwenden, weil es sich dabei auch um eine betreuungsgerichtliche Zuweisungssache i.S.d. §§ 340 Ziff. 3, 341 FamFG handelt (Zimmermann in Keidel, 17. A. 2011, § 342 Rz. 5; Schaal in Bahrenfuss, FamFG, 2009, § 342 Rz. 4).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Beteiligten zu 1) steht eine nach RVG zu berechnende anwaltliche Vergütung gemäß den §§ 1960, 1915, 1835 Abs. 3 BGB nur dann zu wenn es - so der Wortlaut von § 1835 Abs. ...

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