Entscheidungsstichwort (Thema)

Es besteht für den Überholenden eine unklare Verkehrslage, wenn ein vorausfahrender Traktor nach links blinkt. Der nachfolgende Verkehr muss stets damit rechnen, dass der Traktor kurzfristig abbiegt, und zwar auch ohne vorheriges Einordnen nach links.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Blinkt ein Traktor nach links muss der nachfolgende Verkehr stets damit rechnen, dass der Traktor kurzfristig abbiegt, und zwar auch ohne vorheriges Einordnen nach links (was wegen der Fahrzeugbreite häufig nicht möglich ist).

2. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung sind nur erstattungsfähig, wenn die Beauftragung aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig ist. Allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, reicht nicht aus, um die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer zu begründen.

3. Bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG handelt es sich um eine Leistungsbestimmung im Sinne von § 315 BGB. Diese ist als einseitige Willenserklärung grundsätzlich unwiderruflich und für den bestimmungsberechtigten Rechtsanwalt bindend.

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1; StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1-2, § 18 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1; ZPO §§ 286, 448

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 11 O 49/22)

 

Tenor

I. Der Kläger wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung gegen das angefochtene Urteil offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 2.892,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Am 10.06.2021 kam es im Bereich einer Hofeinfahrt an der K.xx in T. zur Kollision zwischen dem Kläger mit seinem Motorroller Piaggio Vespa und dem bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten und vom Beklagten zu 2) geführten Traktorgespann Fendt 818 Vario mit Gülleanhänger. Der Kläger befuhr die K.xx in Richtung H.. Vor ihm fuhr der Beklagte zu 2) mit dem Traktorgespann in gleiche Richtung. Zur Kollision kam es, als der Kläger das Traktorgespann überholte und das Traktorgespann nach links in eine Hofeinfahrt abbog. Der Kläger stieß auf der Gegenfahrbahn gegen das linke Vorderrad des Traktors.

Streitig ist insbesondere, ob der Beklagte zu 2) vor dem Abbiegen am Traktor den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat.

Der Kläger wurde erheblich verletzt. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades, eine mehrfragmentäre, dislozierte Nasenbeinfraktur, Frakturen der dritten Rippe rechts und der zweiten Rippe links sowie eine Prellung des linken Daumens. Der Kläger wurde sechs Tage stationär im Krankenhaus behandelt. Am 15.06.2021 wurde seine Nasenbeinfraktur operativ versorgt. Der Kläger war bis zum 16.07.2021 arbeitsunfähig.

Der Kläger verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 EUR sowie Ersatz seines Haushaltsführungsschadens. Ferner macht er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Ansprüche sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend. Der Kläger hat seine Vollkaskoversicherung in Anspruch genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat behauptet, er sei ca. 60 km/h gefahren. Am Traktorgespann sei kein Blinker gesetzt gewesen. Die Hofeinfahrt habe er nicht erkannt.

Der Kläger hat weiter behauptet, an seinen freien Tagen - er ist als Verkehrspilot tätig - leiste er durchschnittlich 24,7 Stunden wöchentlich an Haushaltstätigkeit. In den ersten drei Wochen nach dem Unfall habe er diese Tätigkeit überhaupt nicht und in der vierten Woche nur zur Hälfte erledigen können.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn EUR 1.024,- nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2021 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm alle materiellen und immat...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge