Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Unzulässigkeit der Sicherungshaft bei Wechsel von geplanter Zurückschiebung zu Abschiebung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über einen Antrag gem. § 10 FEVG ist das Gericht zuständig, das in erster Instanz nach §§ 3 und 4 FEVG entschieden hat.

2. Der Umstand, dass nicht mehr die Zurückschiebung des Betroffenen betrieben wird, sondern dieser nunmehr abgeschoben werden soll, ist kein Wegfall des Grundes i.S.d. § 10 Abs. 2 FEVG für die bereits angeordnete Sicherungshaft.

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 19.09.2003; Aktenzeichen 3 T 370/03, 3 T 397/03, 3 T 404/03)

AG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 18.09.2003; Aktenzeichen 20 b XIV 122/03 B)

 

Tenor

Unter Zurückweisung bzw. Verwerfung der sofortigen weiteren Beschwerden i.Ü. werden der Beschluss des AG Oldenburg vom 18.9.2003 und der Beschluss des LG vom 19.9.2003 (3 T 404/03) aufgehoben. Insoweit wird das Verfahren an das AG Oldenburg zur erneuten Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens – zurückverwiesen.

Dem Betroffenen wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde (2 W 154/03) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

 

Gründe

I. Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig. Die Beteiligte zu 2) betrieb und betreibt gegen ihn die Abschiebung in die Türkei. Am 30.7.2003 wurde der Betroffene bei einer polizeilichen Kontrolle in der Nähe von Oldenburg in einem Linienbus angetroffen. Er gab an, über Dänemark nach Norwegen reisen zu wollen, wo er Asylbewerber sei. Er besaß türkische Papiere, von denen die Polizei annahm, dass sie gefälscht seien. Insoweit läuft gegen ihn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1), welche die Zurückschiebung des Betroffenen gem. § 61 AuslG nach Norwegen beabsichtigte, hat das AG Oldenburg angeordnet, den Betroffenen längstens bis zum 31.10.2003 in „Abschiebungshaft” zu nehmen mit der Maßgabe, dass die Entscheidung von der Beteiligten zu 1) vollzogen werde. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine Zurückschiebung des Betroffenen ausschied, weil ein Asylantrag in Deutschland abgelehnt worden war und zunächst die deutschen Behörden gehalten waren, das Verfahren durch seine Abschiebung in die Türkei abzuschließen, beantragte die Beteiligte zu 2) unter dem 20.8.2003 beim AG Rendsburg, in dessen Bezirk sich der Betroffene zunächst in „Abschiebungshaft” befand, die Anordnung der Sicherungshaft zum Zwecke der Abschiebung. Das AG Rendsburg lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 21.8.2003 ab, weil bereits die Sicherungshaft am 31.7.2003 gerichtlich angeordnet sei.

Am 26.8.2003 hat der Betroffene beim AG Oldenburg sofortige Beschwerde gegen dessen Beschluss vom 31.7.2003 eingelegt und gleichzeitig unter Hinweis auf § 10 FEVG beantragt, seine sofortige Freilassung anzuordnen. Das AG Oldenburg übersandte daraufhin die Akten „auf die sofortige Beschwerde” an das LG. Mit Schriftsatz vom 15.9.2003 an das LG hat der Betroffene erneut seine sofortige Freilassung beantragt und sofortige Beschwerde gegen die „als Ablehnung auszulegende Nichtbescheidung des Freilassungsantrags vom 26.8.2003 durch das AG Oldenburg” erhoben. Mit Beschlüssen vom 17.9.2003 hat das LG die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Oldenburg vom 31.7.2003 als unzulässig verworfen, weil diese verspätet sei (3 T 370/03), den an ihn gerichteten Antrag auf Freilassung als unzulässig zurückgewiesen, weil es dafür nicht zuständig sei (3 T 370+397/03), und ebenfalls die sofortige Beschwerde gegen die „Ablehnung durch Nichtbescheidung” des AG Oldenburg als unzulässig verworfen, weil keine die Freiheitsentziehung betreffende Entscheidung des AG Oldenburg vorliege (3 T 397/03). Den Antrag des Betroffenen vom 17.9. 2003 an das AG Oldenburg auf Bescheidung seines Antrags vom 26.8.2003, hilfsweise auf seine sofortige Entlassung hat das AG durch Beschluss vom 18.9.2003 zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen der Sicherungshaft weiterhin vorlägen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG durch Beschluss vom 19.9.2003 mit im wesentlichen gleicher Begründung zurückgewiesen (7 T 404/03). Gegen die Entscheidungen des LG in 3 T 370+397/03, 3 T 397/03 und 3 T 404/03 richten sich die sofortigen weiteren Beschwerden des Betroffenen. Die Beteiligten zu 1) und 2) hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.1. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG vom 17.9.2003 (LG Lübeck, Beschl. v. 17.9.2003 – 3 T 397/03 – 2 W 158/03) ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Am Tage der Einlegung des Rechtsmittels am 18.9.2003 hat das AG über den Antrag des Betroffenen vom 17.9.2003 auf Bescheidung des Antrags vom 26.8.2003 auf seine sofortige Entlassung entschieden. Dadurch wurde die vom Betroffenen als Ablehnung gewertete vorangegangene Nichtbescheidung seines Antrags vom 26.8.2003 durch das AG Oldenburg, die im Beschwerdeverfahren beanstandet worden ist, gegenstandslos und hat sich ...

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