Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 06.07.2018, Az. VK-SH 12/18, zu Nr. 1-3 des Tenors geändert.

Der Nachprüfungsantrag der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer sowie der Beschwerdeführerin. Für die beiden Letztgenannten war die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten notwendig.

Die Anschlussbeschwerde der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beschwerdeführerin trägt die Beschwerdegegnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren trägt diese selbst.

Der Streitwert wird auf 429.178,20 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, deren Sitz sich in K2 befindet, schreibt als Sektorenauftraggeberin den Neubau von Zugbildungsanlagen und von Gleichrichterwerken (Lieferung und Einbau) im Rahmen des Projekts "Neubau der S-Bahn-Zugbildungsanlagen" in H1 und in H2 aus. Die Auftragsbekanntmachung erfolgte unter der Vergabenummer 377693-2017-D am 21./26.09.2017 im Supplement zum Amtsblatt der EU 2017, S. 184.

Die Ausschreibung erfolgt in zwei Losen ("L1", "K1"). Varianten/Alternativangebote werden zugelassen (II.2.10 der Auftragsbekanntmachung). Nach Nr. II.2.5 der Auftragsbekanntmachung soll der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium sein; wegen "aller" Kriterien wird auf die "Beschaffungsunterlagen" verwiesen. Dazu heißt es im Leistungsverzeichnis (zu 4.1.10):

"Zulage für Bauzeitverkürzung

++optional++

pauschaler Kostenansatz zur Verkürzung der Bauzeit gegenüber dem von AG genannten Terminplan Entwurf. Der AN realisiert mittels geeigneter Maßnahmen unter Beachtung der geltenden Gesetze und Arbeitsschutzbestimmungen eine maximale Verkürzung der Zeitbedarfe für die Errichtung des Gebäudes (Verkürzung auf weniger als 130 Tage) sowie die Montage der Schalteranlagen (Verkürzung auf weniger als 120 Tage). Vollständigkeit und Ergebnisqualität bleiben unberührt."

Von den Bietern waren "garantierte" Bauzeiten für das Gebäude bzw. Montagezeiten für die Schaltanlagen - jeweils in Tagen - einzutragen.

Auf eine diesbezügliche Bieterfrage erfolgte folgende Antwort der Vergabestelle:

"Die garantierte Bauzeitverkürzung wird in die Wertung der Angebote einbezogen. Die Wertung geschieht wie folgt:

Der Gesamtpreis (inklusive der Position 4.1.10) aller Titel eines Loses wird mit 85 Wertungspunkten bewertet. Der Bieter mit dem niedrigsten Preis erhält 85 Wertungspunkte. Die anderen Bieter erhalten weniger Punkte im Verhältnis des günstigsten Angebotspreises zu ihrem Angebotspreis. Die Bau-und Montagezeitverkürzungen werden mit jeweils 15 Wertungspunkten bewertet. Bieter, die keine Bau- und Montagezeitverkürzung anbieten, erhalten daher 30 Wertungspunkte. Bieter, die eine Bau und/oder Montagezeitverkürzung anbieten, erhalten jeweils 15 Punkte, erhöht um das Verhältnis der AG- Angabe zu ihrer angegebenen Bau- oder Montagezeit. Bsp.: ein Bieter bietet eine Montagezeitverkürzung auf 100 Tage an, AG-Angabe sei 120 Tage. Wertungspunkte: 15 × 120/100.

Wenn ein Bieter der Ansicht ist, dass die Bauzeit nicht verkürzt werden kann, sind die Bietereintragungen freizulassen und die Position ist mit pauschal 0,01 EUR zu bepreisen."

Am 05.12.2017 teilte die Vergabestelle mit, bei der Position 4.1.10 (Bauzeitverkürzung) des Leistungsverzeichnisses handele es sich nicht um einen optionalen, sondern um einen festen Bestandteil der Ausschreibung.

Die Beschwerdeführerin (Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer) und die Beschwerdegegnerin bzw. Anschlussbeschwerdeführerin (Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer) haben sich mit fristgerecht eingegangenen Angeboten an der Ausschreibung beteiligt.

Von Seiten der E1 GmbH, einem Mitglied der antragstellenden, erst später gebildeten Bietergemeinschaft, wurde mit Schreiben vom 04.12.2017 das Kriterium der Bauzeitverkürzung als unzulässig beanstandet, ebenso das Punktesystem. Änderungen erfolgten insoweit nicht.

Nach Eingang der Angebote und deren Prüfung teilte die Antragsgegnerin am 09.04.2018 den Bietern auf der Grundlage ihres Vergabevermerks mit, sie beabsichtige, die Angebote der Beigeladenen bzw. Beschwerdeführerin für Los 1 und Los 2 anzunehmen.

In dem Schreiben (berichtigt mit Schreiben vom 03.05.2018) heißt es:

" ... Gemäß Wertungskriterien sind die Angebote wie folgt zu werten:

1) Das Angebot mit dem niedrigsten Preis erhält 85 Wertungspunkte. Die anderen Angebote erhalten weniger Punkte im Verhältnis des günstigsten Angebotspreises zu ihrem Angebotspreis.

2) Angebote mit einer Bauzeitverkürzung werden wie folgt bewertet: die Bau-und Montagezeitverkürzungen werden mit jeweils 15 Wertungspunkten bewertet. Bieter die keine Bau-und Montagezeitverkürzung anbieten, erhalten daher 30 Wertungspun...

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