Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsbeiordnung im vereinfachten Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Im vereinfachten Verfahren nach den §§ 645 ff. ZPO ist im Regelfall die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO).

 

Normenkette

ZPO § 121 Abs. 2, § § 645 ff.

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Beschluss vom 28.11.2006; Aktenzeichen 50 FH 268/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - FamG - Kiel vom 28.11.2006 dahin abgeändert, dass dem Antragsgegner für das Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. bewilligt wird.

 

Gründe

Der Antragsgegner hat im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger Einwendungen gegen einen Antrag auf Festsetzung von Unterhalt erhoben. Ihm ist antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt worden, allerdings unter Ablehnung seines weitergehenden Antrages auf Beiordnung eines Rechtsanwalts. Hierzu hat das FamG ausgeführt, die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei nicht notwendig, weil ein Unterhaltsschuldner den amtlichen Vordruck ohne spezielle Rechtskenntnisse ausfüllen und außerdem die Hilfe des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder des Amtes für Familie und Soziales in Anspruch nehmen könne.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Zurückweisung des Antrages auf Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten und trägt dazu vor, entgegen der Ansicht des FamG sei das formularhafte Verfahren nicht gerade leicht verständlich. Der Fragebogen schließe mit der Frage, von welchem Rechtsanwalt/welcher Rechtsanwältin der Antragsgegner beraten worden sei, woraus er geschlossen habe, es stehe ihm frei, sich von einem Rechtsanwalt behilflich sein zu lassen und hierfür Prozesskostenhilfe zu erhalten.

Die Beschwerde ist begründet. Dem Antragsgegner war ein Rechtsanwalt beizuordnen, weil die Verteidigung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erschien (§ 121 Abs. 3 ZPO).

Bereits die Kompliziertheit des Festsetzungsverfahrens, das nach den Erfahrungen der Praxis die Bezeichnung "vereinfachtes Verfahren" zu Unrecht trägt, lässt die Beratung durch einen Rechtsanwalt in der Regel als erforderlich erscheinen. Das Risiko, bei unvollständiger Erklärung oder verspätetem Vorbringen mit sachlich berechtigten Einwendungen ausgeschlossen zu werden (vgl. §§ 648 Abs. 2, 652 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und seine Rechte im Wege einer Korrekturklage nach § 654 ZPO durchsetzen zu müssen, legt einem Laien die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nahe. Der amtliche Vordruck erleichtert dem mit unterhaltsrechtlichen Vorschriften nicht Vertrauten die Einschätzung der Rechtslage nicht: Schon der anzukreuzende Einwand "Das vereinfachte Verfahren ist nicht zulässig" verlangt juristische Bewertungen, die ohne detaillierte Kenntnisse der §§ 645 ff. ZPO nicht vollzogen werden können. Die Erklärung, den verlangten Unterhalt ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts nicht oder nicht in voller Höhe zahlen zu können, setzt Rechtskenntnisse über die Selbstbehaltssätze voraus, wobei die Frage nach der Gefährdung eine weitere Unschärfe bringt, denn bei genauem Sprachgebrauch setzt die Gefährdung bereits vor einem Unterschreiten des kleinen Selbstbehalts ein, ohne dass ersichtlich wäre, wann im Vorfeld des kleinen Selbstbehalts die Gefährdung beginnt. Auch im Folgenden stellt der Fragebogen den Unterhaltsschuldner vor rechtliche Beurteilungen, die ein Laie nicht immer mit der gebotenen Eindeutigkeit vornehmen kann (z.B. die Frage danach, wann einzureichende Belege geeignet sind, die zu belegende Behauptung zu stützen).

Im Fragebogen wird an mehreren Stellen der Eindruck erweckt, der Unterhaltsschuldner solle die Antworten besser nicht nach eigenem Gutdünken geben, sondern die Hilfe rechtlich geschulter Personen oder Institutionen in Anspruch nehmen (auf S. 1: "Bitte lassen Sie sich von einer zur Rechtsberatung zugelassenen Person oder Stelle beraten, wenn Sie nicht sicher sind, ob der Einwand begründet ist." und wenig später: "Bei der Abgabe der Erklärung sollten Sie sich unbedingt rechtlich beraten lassen."). Wenn vor dem Hintergrund dieser dringlichen Empfehlung, rechtskundige Beratung in Anspruch zu nehmen, am Ende des amtlichen Vordrucks nach dem Namen des Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin gefragt wird, der bzw. die für die Abgabe der Erklärung hinzugezogen worden ist, wird damit dem Unterhaltsschuldner der Schluss nahe gelegt, üblicherweise - und deshalb im Vordruck schon so aufgenommen - werde im vereinfachten Verfahren ein Rechtsanwalt hinzugezogen. Die eingangs erwähnte "zur Rechtsberatung zugelassene Stelle" wird hier nicht erwähnt und auch sonst nicht näher präzisiert, insb. wird nicht auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle hingewiesen. Das Amt für Familie und Soziales liegt für einen Unterhaltsschuldner, der von dem übergeordneten Land, vertreten durch die Landeshauptstadt, in Anspruch genommen wird, schon deshalb fern, weil die Nähe zwischen Antragsteller und beratender Stelle Zweifel an der Unvoreingenommenheit zu wecken geeignet ist. Es ist d...

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