Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt oberhalb der Tabellenhöchststufe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners kann ein konkreter Bedarf des unterhaltsberechtigten Kindes oberhalb der 10. Stufe der Düsseldorfer Tabelle bemessen werden. Es verbietet sich dabei eine schematische Fortrechnung der Düsseldorfer Tabelle; vielmehr ist zu klären, welche Bedarfsbereiche im Rahmen des sächlichen Existenzminimums durch die Tabellenbeträge abgedeckt sind. Dabei sind die §§ 27 ff. SGB XII sowie die Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) bzw. ab dem 1.1.2011 das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz beachtlich.

2. Begehrt ein Unterhaltsberechtigter im Wege der Abänderungsklage die Heraufsetzung der Unterhaltspflicht aus einem Unterhaltstitel, so stellt dies neben einem Gestaltungsverfahren auch einen Leistungsantrag dar.

3. Erbringt der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Titel Zahlungen, bleibt die Erfüllung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Schwebe; erst dann tritt die Wirkung nach § 362 BGB ein.

 

Normenkette

ZPO § 323; BGB §§ 362, 1601-1603, 1610, 1612a; SGB 8 § 27; SGB 8 § 28

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Beschluss vom 17.09.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin und die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Kiel vom 17.9.2010 - unter teilweiser Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung des Antrags im Übrigen wird der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin in Abänderung des Anerkenntnisteil- und Schlussurteils des AG Kiel vom 12.12.2002 (Az.: 60 F 124/02) zu Händen der gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin Kindesunterhalt für die Monate Mai 2009 bis Dezember 2010 i.H.v. noch je 240 EUR monatlich nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.400 EUR seit dem 1.4.2010, für die Monate Januar 2011 bis Oktober 2011 i.H.v. noch je 340 EUR monatlich und ab November 2011 i.H.v. 930 EUR monatlich zu zahlen, und zwar spätestens zum 3. Werktag eines jeden Monats, die Rückstände sofort.

Der Antragsgegner wird darüber hinaus verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin 2.684 EUR zu zahlen.

Auf den Widerantrag wird die Antragstellerin verpflichtet, an den Antragsgegner 1.338,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2010 zu zahlen. Im Übrigen wird der Widerantrag abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Antragstellerin 3/4 und der Antragsgegner 1/4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin 3/5 und der Antragsgegner 2/5.

Die Entscheidung ist mit Ausnahme der Entscheidung über die Zahlung von regelmäßigen Kindesunterhalt für die Zeit von Mai 2009 bis Oktober 2010 sofort wirksam.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Antragstellerin macht gegen den Antragsgegner die Abänderung eines Titels zum Kindesunterhalt für die Zeit ab Mai 2009 geltend.

Die am 24.10.1998 geborene Antragstellerin ist die nichteheliche Tochter des Antragsgegners. Ihre Mutter und der Antragsgegner trennten sich bereits vor ihrer Geburt. Zwischen der Mutter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gab es Auseinandersetzungen wegen des Umgangsrechtes des Antragsgegners mit der Antragstellerin. Seit 2004 findet kein Kontakt mehr statt. Durch Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des AG Kiel vom 12.12.2002 (Az. 60 F 124/02) wurde der Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin in Abänderung eines früheren Unterhaltstitels 200 % des jeweils gültigen Regelunterhaltes unter Abzug des hälftigen Kindergeldes zu zahlen, und zwar bis spätestens zum 3. Werktag eines jeden Monats zu Händen der gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin. Der Antragsgegner wurde weiter verurteilt, an die Antragstellerin zu Händen der Kindesmutter einen Kindergartenbeitrag i.H.v. 143,16 EUR monatlich zu zahlen. Durch Anerkenntnisteil- und Schlussurteil des AG Kiel vom 15.2.2007 (Az. 60 F 181/06) wurde dieses Urteil dahin abgeändert, dass der Antragsgegner nicht mehr verpflichtet ist, einen Kindergartenbeitrag zu zahlen. Die Widerklage auf Zahlung von monatlichen Betreuungskosten i.H.v. 100 EUR wurde abgewiesen. Der Antragsgegner verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 20.000 EUR. Seit 2009 zahlt er Kindesunterhalt nach dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle. Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner mit anwaltlichem Schreiben vom 25.5.2009 zur Zahlung von monatlichem Kindesunterhalt i.H.v. 1.205 EUR auf. Nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung zahlte der Antragsgegner an die Antragstellerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung 5.728,83 EUR einschließlich Zinsen. Die Kindesmutter verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 1.300 EUR. Die Antragstellerin befindet sich in kieferorthopädischer Behandlung. Aufgrund einer von ihrer Mutter...

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