Leitsatz

Beim Kindesunterhalt gilt der Grundsatz, dass Kinder keinen Anspruch haben sollen auf Teilhabe am Luxus ihrer Eltern. Dies schließt aber nicht aus, dass für das Kind tatsächlich Ausgaben anfallen, die von den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nicht gedeckt sind und als Mehrbedarf geltend gemacht werden können.

Zentrales Problem der Entscheidung des OLG Schleswig war die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen Kindesunterhalt oberhalb der 10. Stufe der Düsseldorfer Tabelle geschuldet wird.

 

Sachverhalt

Die im Oktober 1998 geborene Antragstellerin ist die nichteheliche Tochter des Antragsgegners, den sie auf Erhöhung eines bereits auf den Höchstbetrag lautenden Unterhaltstitels aus dem Jahre 2002 in Anspruch nahm. Der Antragsgegner verfügte über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 20.000,00 EUR. Seit 2009 zahlte er Kindesunterhalt nach dem Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle. Die Kindesmutter verfügte über ein Einkommen von ca. monatlich 1.300,00 EUR.

Die Antragstellerin machte gegenüber ihrem Vater Unterhaltsansprüche i.H.v. monatlich 1.668,00 EUR zur Deckung ihres angemessenen Lebensbedarfs geltend.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit u.a. der Begründung, der geltend gemachte Bedarf entspreche nicht einem durch die Eltern geprägten Lebensstandard, an den sich die Antragstellerin durch eine gemeinsame Lebensführung in der Vergangenheit habe gewöhnen können. Der Lebensbedarf der Antragstellerin gehe nicht über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle hinaus.

Das AG hat dem Antragsgegner aufgegeben, monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 973,00 EUR zu zahlen und hat dabei 250 % des jeweiligen Mindestbedarfs zugrunde gelegt.

Gegen den Beschluss des AG haben beide Beteiligte Beschwerde eingelegt. Das OLG hat den Beschluss teilweise abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 930,00 EUR zu zahlen.

 

Entscheidung

Das OLG folgte der Auffassung des Kindesvaters nicht und stellte zunächst fest, dass die Sätze der Düsseldorfer Tabelle nicht schematisch fortgeschrieben werden könnten, wenn der Unterhaltspflichtige über ein Einkommen oberhalb der höchsten Stufe (160 % des Mindestbedarfs) verfüge.

Für das Maß des Kindesunterhalts bestehe keine allgemeine Sättigungsgrenze. Beziehe der Unterhaltspflichtige ein höheres Einkommen als das der höchsten Stufe der Düsseldorfer Tabelle, komme nicht ohne weiteres eine Fortschreibung der Tabellensätze in Betracht. Vielmehr müsse der Unterhaltsberechtigte seinen Bedarf dann im Einzelnen konkret darlegen.

Soweit die Antragstellerin höheren Unterhalt aufgrund erhöhter Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung und die Schülersprachreise geltend mache, stelle dies Sonderbedarf dar, da es sich um außergewöhnlich hohe Kosten handele, die nicht regelmäßig anfielen. Diese Kosten seien zusätzlich zu dem geltend gemachten laufenden Unterhalt von den Eltern zu zahlen.

Im Übrigen bestimme sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern nach der Lebensstellung der Eltern richte. Für den Unterhalt von Kindern getrennt lebender Eltern, die bei dem sie betreuenden Eltern lebten, seien die Einkommensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen, nicht betreuenden Elternteils maßgebend (BGH FamRZ 2000, 358).

Bei dem Maß des zu gewährenden Unterhalts sei auch auf die Gewöhnung an einen gehobenen Lebensstil zu achten. Dabei sei zu unterscheiden, welche Bedürfnisse dem Kind auf dieser Grundlage zu erfüllen seien und welche Wünsche als bloße Teilhabe am Luxus nicht erfüllt werden müssten.

Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit dem Antragsgegner unstreitig nicht zusammengelebt und seit ihrem 5. Lebensjahr auch keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt habe, so dass sie sich nicht an seinen Lebensstil habe gewöhnen können. Dieser Umstand führte nach Auffassung des OLG jedoch nicht dazu, dass der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auf den Höchstbetrag festgeschrieben sei, da der Unterhaltsbedarf dann auch vom betreuenden Elternteil abgeleitet würde.

Den über die Düsseldorfer Tabelle hinausgehenden geltend gemachten Bedarf hat das OLG nach § 287 ZPO geschätzt, indem es die sich aus dem Existenzminimum ergebenden konkret aufgeschlüsselten Beträge (insgesamt 327,32 EUR) im Verhältnis auf den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle (682,00 EUR) hochgerechnet und mit den von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten verglichen hat.

Im Ergebnis hielt das OLG über den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle hinaus Mehrbeträge für sportliche Aktivitäten (60,00 EUR), für Reisen (180,00 EUR) und für Nachhilfe (100,00 EUR) für gerechtfertigt.

 

Hinweis

Schon mit Urteil vom 13.10.1999 (XII ZR 16/98) hat der BGH entschieden, dass die Sätze der Düsseldorfer Tabelle bei besonders guten Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichten nicht schematisch fortgeschrieben werden dürfen, sondern der Bedarf konkret dargelegt und bewiesen werden muss.

In der Praxis ist in jedem Fall darauf zu a...

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